Australien hat den Anfang gemacht. Dort ist seit etwas mehr als einem Monat die Herstellung und die Verwendung von Quarzkomposit verboten. Beim Quarzkomposit handelt es sich um eine Verbindung von Quarzsand mit Farbstoffen und Kunstharz.
Das Resultat sieht aus wie Stein, wirkt mitunter sogar so edel wie echter Marmor oder Granit, ist aber bei weitem nicht so teuer. Vor allem aber ist der Werkstoff widerstandsfähig. Messer oder Scheren können dem Kunststein kaum etwas anhaben. Das macht Quarzkomposit eben so geeignet für Arbeitsplatten im Küchenbereich.
Das Problem ist die Herstellung beziehungsweise die Verarbeitung. "Es ist die hohe Quarz-Konzentration in dem Material, die zur Gefahr werden kann", sagte in der VRT Ben Nemery, emeritierter Professor für Arbeitsmedizin. Das ist einer der gefährlichsten Stoffe für die Lungen.
Gefährlich ist der Staub, der bei der Herstellung oder Bearbeitung von diesem Quarzkomposit beim Schneiden oder Bohren der Platten entsteht. Der ist durchsetzt mit quarzhaltigem Feinstaub, dem sogenannten Siliciumdioxid. Einmal in der Lunge kann das eine unheilbare Silikose verursachen, besser bekannt unter dem Begriff Staublunge.
Das war der Grund für das Verbot in Australien. Die örtliche Arbeitsschutzagentur hatte alarmierende Zahlen vorgelegt. Demnach erkrankte dort fast jeder vierte Steinarbeiter, der bis 2018 in der Branche beschäftigt war, an einer Silikose oder einem ähnlichen Lungenleiden, was eben auf das Einatmen der feinen Quarzstaubpartikel zurückgehe.
Weltweit laufen Tausende Arbeiter Gefahr, dass ihnen das Gleiche passiert, zitiert die Zeitung De Standaard aus einem Brief, in dem sich alarmierte Ärzte an die zuständigen EU-Behörden wenden. Mindestens sechs Fälle seien auch in Belgien bekannt, wobei die Dunkelziffer wohl größer sein dürfte, sagt ein Forscher der Uni Löwen in der Zeitung. Die Krankheit werde nämlich viel zu häufig schlicht und einfach nicht erkannt.
"Wirksame Schutzmaßnahmen gibt es eigentlich nicht", sagt Professor Nemery. Die Staubentwicklung sei nicht zu vermeiden, bestimmt nicht, wenn das vor Ort beim Einbau der Platte erfolgt. Selbst in einer spezialisierten Werkstatt sei das schwierig. Natürlich könne man bei der Verarbeitung der Platten eine Maske tragen, allerdings müsse die wirklich sehr gut abschließen. In der Praxis habe sich gezeigt, dass das kaum praktikabel sei, erklärt Professor Nemery.
Das Gleiche gilt für alternative Arbeitsmethoden, etwa das Schneiden oder Polieren mit Wasser. Das helfe zwar, doch hätten Studien insbesondere in Australien gezeigt, dass auch dieser Schutz nicht ausreiche.
Aus all diesen Gründen hat Australien nun die Reißleine gezogen. Seit dem 1. Juli ist Quarzkomposit dort verbannt. Die größten Händler, darunter auch die bekannte Möbelkette aus Schweden, haben Arbeitsplatten aus Quarzkomposit in Australien auch schon aus dem Sortiment genommen.
Für die Tausenden in Belgien und Europa verbauten Küchenarbeitsplatten besteht kein Grund zur Besorgnis, denn einmal verbaut geht von Quarzkomposit keine Gesundheitsgefahr mehr aus. Der Quarzsand bleibe ja schließlich in der Platte, so Arbeitsmediziner Ben Nemery. Gefährlich werde es eben nur für diejenigen, die das Material verarbeiten oder herstellen.
Roger Pint