"Ich werde die Missbrauchsopfer nicht im Stich lassen, das möchte ich betonen. Sie werden bei mir immer willkommen sein." Johan Bonny fühlt sich hörbar unwohl bei seiner Ankündigung. Doch er sieht keinen anderen Ausweg.
Johan Bonny ist zuallererst Bischof von Antwerpen. Innerhalb der Bischofskonferenz werden den verschiedenen Mitgliedern aber auch noch weitere Zuständigkeiten zugeteilt, die dann die Belgische Kirche insgesamt betreffen. In diesem Rahmen hatte Bonny das heikle Thema "sexueller Missbrauch durch Kirchenvertreter" übernommen. Als der zuständige "Referent" der Bischofskonferenz wurde er damit zum offiziellen Ansprechpartner in dieser unseligen Materie. Wenn das ohnehin schon eine nicht unbedingt beneidenswerte Aufgabe ist, so galt das umso mehr in den letzten zwölf Monaten.
Erst war da die VRT-Dokureihe "Godvergeten", in denen die Opfer von sexuellem Missbrauch durch Kirchenvertreter zu Wort kamen. Die Serie hatte eine Welle des Entsetzens und des Mitgefühls losgetreten, was letztlich sogar dazu geführt hatte, dass sich gleich zwei Parlamente im Rahmen eines Untersuchungsausschusses noch einmal mit der Materie auseinandergesetzt haben, nämlich erst das flämische Parlament und dann auch nochmal die Kammer. Obendrauf kam dann noch die nicht enden wollende Polemik um den ehemaligen Brügger Bischof Roger Vangheluwe.
Ob nun in den Medien oder in den Parlamenten: Der Ansprechpartner hieß immer Johan Bonny. "Ich schaffe das nicht mehr", sagte Bonny am Donnerstag in der Zeitung Het Nieuwsblad und später auch in der VRT. "Innerhalb der Bischofskonferenz der zuständige Referent zu sein, die Politik festzulegen und zu koordinieren, die Texte zu schreiben, die Kontakte mit den Medien, das ist eine enorme Aufgabe", sagte Bonny. Das dann auch noch zu kombinieren mit der Verwaltung eines Bistums, die Kraft für all das habe er am Ende nicht mehr gehabt.
Er habe sich entscheiden müssen, sagt Bonny in Het Nieuwsblad: Entweder, er bleibt Bischof von Antwerpen, oder er bleibt der Referent zuständig für den Missbrauchsskandal. Jetzt habe er den Knoten durchgehackt: Er will sich nur noch um sein Bistum kümmern.
Hilferuf an den Papst
Das Ganze kommt nicht aus heiterem Himmel. Schon im September vergangenen Jahres hatte er sich mit einem Hilferuf an den Papst gewandt. In einem Brief bat er um die Einstellung eines Hilfsbischofs, der ihn unterstützen sollte. Doch lehnte der Vatikan ab - dies auch, weil selbst die Belgische Bischofskonferenz anscheinend nicht wirklich hinter der Forderung stand. Bonny fühlte sich denn auch regelrecht im Stich gelassen. Zumal ja schon absehbar sei, dass der Arbeitsdruck in nächster Zeit nicht abnehmen werde. Besagte parlamentarische Untersuchungsausschüsse werden gleichermaßen ein Nachspiel haben, das liege in der Natur der Sache. Auf diese zweite Phase müsse sich die Kirche jetzt vorbereiten. Es müsse klar sein, wer da was tut und unter welcher Führung.
Das kann man durchaus als eine kaum verhohlene Kritik am bisherigen Vorgehen verstehen. Bonny sagt mit anderen Worten, dass die Kirche in dieser Materie nach wie vor nicht professionell genug aufgestellt ist - das weder strukturell noch personell.
Aber, hier ging es nicht nur um den reinen Arbeitsaufwand, räumt Bonny ein. Das Ganze habe ihn auch emotional sehr belastet. Nichtsdestotrotz: Der Schritt von Johan Bonny sorgt vielerorts wieder für Kopfschütteln. Nach dem Motto "Hat die Kirche immer noch nicht verstanden? Nimmt sie den Missbrauchsskandal immer noch nicht ernst?".
"Natürlich nehmen wir das ernst", widerspricht Bonny. Es ist nur so, dass wir die Mittel, die wir hier einsetzen, noch verbessern müssen. Wir brauchen hier jemanden, der die nötige Kompetenz mitbringt und der auch die nötige Zeit hat, sich angemessen mit der Problematik zu beschäftigen. Dennoch: Dass die Kirche diese internen Probleme öffentlich ausdiskutiert sorgt doch für hörbares Naserümpfen - ziemlich genau zwei Monate vor dem Besuch von Papst Franziskus in Belgien.
Roger Pint