Viele Ladenbesitzer raufen sich die Haare. Nicht nur, weil die Ladendiebe so häufig zuschlagen, sondern auch angesichts der Dreistigkeit und Aggressivität, die manche von ihnen mittlerweile an den Tag legen. So berichten immer wieder beispielsweise Supermarktbetreiber davon, dass Täter ganze Taschen oder Rucksäcke einfach mit Waren füllen, um dann nonchalant aus dem Laden rauszuspazieren. Frei nach dem Motto: Frechheit siegt beziehungsweise in der Annahme, dass sie eh niemand aufhalten wird.
Laut der föderalen Polizei habe es 2023 über 24.000 Fälle von Ladendiebstahl gegeben in Belgien, erklärt Luc Ardies in der VRT. Er ist Geschäftsführer von Superbuurt.be, einer Organisation selbstständiger Supermarktbetreiber.
Aber das sei lediglich die Spitze des Eisbergs, denn diese Zahl beziehe sich nur auf die erstatteten Anzeigen.
Gerade einmal elf Prozent der Mitglieder seines Verbands würden aber überhaupt Anzeige erstatten, wenn sie einen Dieb erwischten. Denn sie wüssten, dass Polizei und Justiz ohnehin nicht gegen die Täter durchgreifen würden.
Das sei nicht nur höchst frustrierend, sondern richte auch enormen finanziellen Schaden an.
Hohe Verluste
Jedes Jahr verlören die Supermärkte die Hälfte ihres Nettogewinns durch Ladendiebstahl. Das könne sogar existenzbedrohend sein. Denn die Gewinnmargen für selbstständige Supermarktbetreiber seien ohnehin nicht besonders hoch, unterstreicht der Superbuurt.be-Chef. Seit über zehn Jahren bettele man Polizei, Justiz und Innenministerium an, endlich etwas gegen das Problem des Ladendiebstahls zu tun, aber es passiere einfach nichts. Das Problem sei, dass Ladendiebstahl immer noch als Bagatelle betrachtet werde, als Kleinkriminalität. Dabei seien die Folgen gerade für selbstständige Unternehmer unglaublich groß.
Superbuurt.be bestreitet auch, dass die Zunahme des Ladendiebstahls durch die Einführung von Selbstbedienungskassen erklärt werden kann. Also die immer häufiger vorkommenden Kassen, an denen Kunden selbst ihre Waren einscannen und bezahlen. Dafür seien SB-Kassen relativ gesprochen einfach noch zu neu und nicht verbreitet genug. Ladendiebstahl sei schlicht ein strukturelles Problem.
Niederländisches Modell
Die Ladenbetreiber würden alleingelassen, das sei unglaublich frustrierend. Deswegen dürfe man auch nicht überrascht sein, wenn manche Menschen selber aktiv würden. Denn mittlerweile sind einige belgische Ladenbetreiber tatsächlich dazu übergegangen, erwischten Ladendieben in Eigenregie und ohne Polizei Geldbußen in Höhe von 150 Euro aufzubrummen und die auch sofort zu kassieren.
Allerdings würden die belgischen Supermarktbetreiber ein einheitliches Vorgehen bevorzugen – und zwar nach niederländischem Vorbild. Dort gibt es zwar auch die Möglichkeit, dass sich Ladendieb und Ladenpersonal einigen, ohne die Polizei zu rufen. Aber der Ablauf ist doch ein deutlich anderer. Denn der Ladendieb muss nicht nur auf der Stelle 181 Euro Schadenersatz berappen, sondern auch ein Geständnis auf einem standardisierten Formular unterschreiben. Dieses Formular geht im Anschluss an Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Folge: Die Personen sind aktenkundig und können im Fall von Wiederholungs- oder Intensivtätern besser verfolgt werden.
Deswegen forderten die selbstständigen Supermarktbetreiber von Superbuurt.be von der künftigen Regierung auch, diese Regelung so in Belgien einzuführen, fasst Luc Ardies zusammen.
Boris Schmidt