Krankheiten haben zunächst natürlich immer persönliche Auswirkungen, gar keine Frage. Aber wenn man das Problem gesamtwirtschaftlich beziehungsweise gesamtgesellschaftlich betrachtet, dann handelt es sich auch um einen erheblichen Kostenfaktor. Mittlerweile gibt es in Belgien rund 600.000 Langzeitkranke, Tendenz seit Jahren stark steigend. Und auch bei kürzeren krankheitsbedingten Ausfällen geht die Kurve in die gleiche Richtung. Laut Zahlen des Personaldienstleisters Securex sind allein im letzten Jahr etwa 2,2 Prozent mehr Arbeitnehmer kurzzeitig krankheitsbedingt ausgefallen.
Die Kosten für die Soziale Sicherheit durch krankheitsbedingte Ausfälle seien gigantisch geworden, unterstreicht auch Bart Teuwen gegenüber der VRT. Er ist Arzt und Experte für krankheitsbedingte Arbeitsausfälle beim Präventionsdienst Mensura.
Umso frappierender sei, dass sich offenbar immer weniger Arbeitgeber für das Problem interessierten, so Mensura in einem neuen Bericht. Demnach haben 43 Prozent der befragten Unternehmen keinen Überblick mehr über ihre Krankenstände. Das ist fast eine Verdopplung innerhalb von nur drei Jahren. Bei kleinen und mittleren Betrieben hat sogar jede zweite Firma keine Ahnung, wie häufig und wie lang ihre Angestellten eigentlich krank sind.
Dabei gehe es doch für die Firmen auch um Geld, so Teuwen sinngemäß. Pro Jahr und Arbeitnehmer kämen allein schon durch Lohnfortzahlungen 1.500 Euro an direkten Kosten zusammen. Die indirekten Folgekosten seien da noch nicht berücksichtigt. Interimslösungen, Überstunden, Ersatz, Produktivitätsverluste – all das koste ebenfalls Geld. Nehme man all das zusammen, dann entstünden krankheitsbedingte Kosten, die bis zu zweieinhalb Mal höher seien als nur die direkten Kosten. Da kämen also sehr schnell sehr hohe Summen zusammen.
Als Grund für das Desinteresse der Firmenleitungen für das Problem sieht der Experte vor allem eine gewisse fatalistische Grundhaltung. Frei nach dem Motto: An den medizinischen Gründen für die Ausfälle könne man ja sowieso nichts ändern. Warum also auch noch Zeit und Geld investieren, um das Ganze zu verfolgen?
Eine absolut verkehrte Argumentation für den Experten. Die Zahlen belegten, dass eine strukturelle Herangehensweise, eine Nachverfolgung und Gespräche mit den Mitarbeitern zu weniger krankheitsbedingten Ausfällen führten.
Dabei sei es allerdings auch wichtig, wie die Kommunikation mit den Betroffenen angegangen werde. Der Fokus müsse auf Genesung und Reintegration liegen. Und darauf, möglicherweise angepasste Tätigkeiten zu finden, um auch angeschlagene Arbeitnehmer weiter beschäftigen zu können. Den Betroffenen zuzuhören und positiv an die Aufgabe heranzugehen, sei essenziell. Dazu sei aber in vielen Fällen ein Kulturwandel notwendig.
Dabei könnten den Firmen und Organisationen auch Coaches für krankheitsbedingte Ausfälle helfen, empfiehlt Teuwen. In großen Firmen seien Abteilungsleiter beispielsweise vielleicht einfach zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um sich auch noch intensiv mit Krankenständen befassen zu wollen. In kleinen Unternehmen könne es sich einfach nicht lohnen, eine entsprechende hausinterne Expertise aufzubauen. Externe Coaches könnten in diesen Fällen also eine sinnvolle Option sein.
Der Experte fordert aber auch, dass mehr Druck ausgeübt wird – und zwar sowohl auf Arbeitgeber als auf Arbeitnehmer. Aktuell sei vieles in puncto Reintegration von Kranken einfach zu unverbindlich, beklagt Teuwen. Da müsse unbedingt mehr passieren, wenn man eine Besserung erreichen wolle.
Boris Schmidt