Wenn man mit Menschen zu tun hat und mit ihnen kommunizieren muss, dann ist es gut, wenn man mit ihnen spricht. Dabei ist es hilfreich, wenn alle Beteiligten die gleiche Sprache sprechen. Dann können sie einander verstehen und gut miteinander kommunizieren.
Das klingt soweit logisch und ist der Grundgedanke einer neuen gesetzlichen Regelung, die in Belgien seit ein paar Wochen gilt. Die Regelung sieht vor, dass alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die mit Menschen zu tun haben - vom Arzt über die Krankenschwester bis hin zum Fahrer eines Krankentransports - Sprachkenntnisse von mindestens einer der drei belgischen Nationalsprachen nachweisen müssen.
Vater dieser neuen Regel ist Noch-Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke. Er begründet sie bei der RTBF mit den Worten: "Die Kenntnis von einer unserer offiziellen Sprachen - Deutsch, Französisch oder Niederländisch - ist notwendig, um mit Patienten zu kommunizieren und auch wichtig, um mit Kollegen in einem Team zusammenarbeiten zu können".
Wie gut die Sprachkenntnisse sein müssen, ist je nach Ausbildungsgrad und Berufsgruppe geregelt. Der Fahrer des normalen Krankentransports muss sich nur grundsätzlich und mit einfachem Vokabular verständigen können (europäischer Referenzrahmen für Sprachen Niveau A2). Eine Krankenschwester mit dreijährigem Studium muss schon ziemlich gut sprechen und verstehen können (Niveau B2). Fast schon muttersprachliches Niveau wird von Ärzten verlangt (Niveau C1). Wer die neuen Anforderungen an die Sprachkenntnisse nicht erfüllt, darf ab sofort im belgischen Gesundheitswesen nicht mehr neu beschäftigt werden.
Kritik
Hier kommen die Kritiker auf den Plan. Arnaud Kamp ist so ein Kritiker. Er ist Leiter der Personalabteilung der Cliniques de l'Europe, ein Klinikverbund in Brüssel. Den täglichen Kampf um Mitarbeiter im Gesundheitswesen kennt er gut. Vor allem Pflegekräfte werden gerade überall händeringend gesucht. In Belgien geht man davon aus, dass zurzeit rund 25.000 Krankenschwestern und Krankenpfleger fehlen. "Viele Länder haben deshalb jetzt schon Verfahren vereinfacht, um die Anerkennung von Diplomen von Pflegekräften zu erleichtern", sagt deshalb Kamp. "Bei uns dauert alles noch ziemlich lang, und jetzt kommt diese Hürde mit der Sprache noch hinzu. Wir empfinden das als Bremse und glauben, dass das potenzielle Kandidaten davon abhalten wird, nach Belgien zu kommen."
Quasi die Betätigung für das, was Kamp fürchtet, liefert Débora Da Silva. Vor mehr als zehn Jahren war sie als Krankenschwester aus Portugal nach Brüssel gekommen. Ihre Sprachkenntnisse waren damals rudimentär. Heute sagt sie in perfektem Französisch: "Wenn man mir damals gesagt hätte, dass ich ein sehr hohes, fast perfektes Niveau in der französischen Sprache brauche, bevor ich nach Belgien kommen kann, dann hätte ich mich wahrscheinlich für ein anderes Land entschieden - damals hatte ich auch noch eine Reihe anderer Möglichkeiten."
Argumente, die Gesundheitsminister Vandenbroucke nicht gelten lässt. "Wir haben uns in anderen Ländern erkundigt, in mindestens zehn. Im Vergleich zu ihnen liegen wir mit unseren Anforderungen etwa im Durchschnitt. Es stimmt also nicht, wenn gesagt wird: Wir seien jetzt viel strenger, als man in anderen Ländern ist."
Kay Wagner