März 2021: Die Welt befindet sich im Würgegriff des Coronavirus. Ein Silberstreifen am Horizont sind die ersten verfügbaren Impfstoffe. Geimpft wurden zuerst alte Menschen in Pflegeeinrichtungen, das Pflegepersonal sowie chronisch Kranke. Erst danach war, streng nach Jahrgängen sortiert, die restliche Bevölkerung an der Reihe.
So manch einem ging das offenbar nicht schnell genug. Eine von ihnen war Veerle Heeren, die damalige Bürgermeisterin von Sint-Truiden. Die CD&V-Politikerin ist Jahrgang 1965 und zählte eindeutig nicht zu den Hochbetagten, die im März 2021 vor allen anderen geimpft werden sollten. Dennoch schaffte sie es irgendwie, einen Impftermin zu bekommen und weil es bei ihr so gut geklappt hatte, ließ sie ihre Entourage aus Familie und Mitarbeitern gleich mitimpfen.
Der Journalist Dirk Selis bekam Wind davon: Die Mitarbeiterin des Callcenters, das damals die Impftermine verwaltete, stach die Daten von Heeren an den Journalisten durch. Als die Sache ans Licht kam, läutete das das Ende der politischen Karriere von Veerle Heeren ein. Sie wurde ein halbes Jahr vom Dienst suspendiert. Als dann auch noch herauskam, dass sie einen internen Bericht über Missstände bei der Polizei in Sint-Truiden bewusst zurückgehalten hatte, war sie schließlich nicht mehr im Amt zu halten. Im September 2022 trat sie endgültig von ihrem Posten zurück.
Seitdem klagt sie gegen die vermeintlich Schuldigen: Die Callcenter-Mitarbeiterin musste sich wegen unrechtmäßiger Nutzung von persönlichen Daten verantworten. Dirk Selis habe - so Heeren - ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, indem er ihre medizinischen Daten nutzte und einen Artikel im News-Portal Trudocs veröffentlichte. In der Tat hatte die Callcenter-Mitarbeiterin Selis einen Screenshot mit dem Namen und dem dazugehörenden Impfcode von Veerle Heeren zugeschickt, beides hatte Selis dann zur Überprüfung an eine Apotheke weitergegeben.
Und das ist genau der Punkt, warum das Strafgericht der Klägerin am Montag zumindest zum Teil Recht gab: Dass Journalisten im Rahmen ihrer Tätigkeit vertrauliche Informationen erhalten und diese überprüfen, heißt nämlich nicht, dass der Datenschutz aufgehoben ist, es sei denn, dies wäre im Rahmen der journalistischen Veröffentlichung unbedingt erforderlich. In diesem Fall sah das Gericht diese Bedingung allerdings nicht erfüllt. Es sei nicht unbedingt erforderlich gewesen, die persönlichen Daten von Heeren weiterzugeben, die Impfcodes allein hätten ausgereicht.
Daher verurteilte der Richter Selis zu einer Geldbuße von 2.000 Euro auf Bewährung. Die Callcenter-Mitarbeitern wurde ebenfalls schuldig gesprochen, die Strafe aber ausgesetzt. Die Schadensersatzklage der ehemaligen Bürgermeisterin wurde abgewiesen. Dirk Selis hat bereits angekündigt, dass er in Berufung gehen wird. Es sieht durch das Urteil die Pressefreiheit verletzt.
belga/sh