Der Chef der sozialistischen Gewerkschaft FGTB, Thierry Bodson, nimmt kein Blatt vor den Mund im Hinblick auf das Wahlergebnis vom 9. Juni: "Das ist eine Niederlage für die Linke, und zwar für die ganze Linke. Wie viele andere auch war ich davon total überrascht".
Überrascht war Bodson auch deshalb, weil in der Wallonie zwar ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen MR und PS, aber weder der klare Sieg der MR noch der deutliche Zuwachs für Les Engagés und auch nicht die schwachen Ergebnisse von PS und PTB erwartet worden waren. Nur den Einbruch von Ecolo hatten Umfragen vor den Wahlen schon vorausgesagt. Als es dann tatsächlich auch so kam, sei das ein weiterer Tiefschlag für die große Linke gewesen.
Die Gründe dafür seien vielschichtig, so Bodson. Vor allem sei festzuhalten, dass die MR in ihrem Wahlkampf ein klares Projekt verteidigt habe. Von dem könne man zwar halten, was man wolle - und er halte nicht viel davon-, aber man müsse der MR zugestehen, dass dieses Projekt gezogen habe. Demgegenüber seien die drei linken Parteien wieder einmal untereinander zerstritten gewesen und hätten nur eine Anhäufung von verschiedenen Maßnahmen, aber kein klar definiertes gesellschaftliches Projekt vorgestellt.
Die Wähler hätten sich von einem klaren Projekt der MR verleiten lassen, das in seinen Augen jedoch nicht funktionieren werde: "Wir glauben, dass viele Bürger sehr schnell erkennen werden, dass man ihnen Träume verkauft hat und sie betrogen wurden."
Auf diese Situation will die FGTB vorbereitet sein. Sie will ein Auffangbecken für all diejenigen sein, die von der Politik, die bald wohl schon im Land greifen wird, enttäuscht sein werden. Wörtlich kündigte Bodson an: "Die Rolle von uns als Gewerkschaft und auch von einem Teil der Vereinswelt wird es in den kommenden Monaten und Jahren sein, diese Menschen zusammenzubringen, um sie zu verteidigen und gemeinsam mit ihnen eine Front der fortschrittlichen Kräfte zu bilden, eine linke Einheitsfront."
Die linken Parteien dürften sich dieser Einheitsfront gerne anschließen, sagte Bodson, aber viel Hoffnung auf eine gemeinsame Unterstützung durch PS, PTB und Ecolo hat der Gewerkschaftsboss zurzeit nicht.
Mit Aktionen gegen die neue Mitte-Rechts-Politik, die der Wallonie und wahrscheinlich auch dem ganzen Land bevorstehen wird, will Bodson zunächst noch warten. "Wir werden erst dann zu Aktionen aufrufen, wenn wir merken, dass in den Regierungsprogrammen tatsächlich das formuliert sein wird, was wir denken: eine Rücknahme von sozialen Leistungen."
Zunächst gelte es allerdings, das Wahlergebnis als solches zu akzeptieren. Jetzt schon mit Aktionen zu beginnen, nur weil die Linke eine Wahlschlappe einstecken musste, lehnt Bodson ab.
Kay Wagner