Eine neue umfangreiche Ölkrise steht uns derzeit nicht ins Haus. Dennoch: Wer in Brüssel oder anderswo im Land in diesen Tagen einen Tankstopp an der Zapfsäule einlegt, der wird sich die Frage stellen, ob er mit einem halben Tank nicht auch für die nächsten Fahrten gerüstet ist.
Der Preis für Benzin und Diesel ist nämlich kräftig in die Höhe geschnellt. Während der Dieselpreis mit der Marke von 1,30 pro Liter flirtet, bewegt sich der Preis für einen Liter bleifreies Superbenzin auf 1,50 Euro zu.
Libyen: Viertgrößter Erdölproduzent Afrikas
Überall wächst die Sorge vor Produktionsausfällen in Libyen. Da dieser Maghrebstaat auf dem internationalen Erdölmarkt eine wichtige Rolle spielt, ist das eine nicht unbegründete Sorge. Das Land ist mit 1,8 Millionen Barrel am Tag schließlich der viertgrößte Erdölproduzent Afrikas.
Gestern kletterte der Preis für das 159-Liter-Fass der Nordseesorte Brent auf um die 108 US-Dollar. Die Drohung eines einflussreichen Stammesanführers im Osten des nordafrikanischen Landes, die Ölexporte zu behindern, sollte Diktator Gaddafi Demonstrationen weiterhin gewaltsam verhindern, wurde von Beobachtern als besorgniserregend eingestuft.
Belgien und Europa direkt betroffen
Viele Länder Europas beziehen Rohöl aus Libyen. Knapp 13 Prozent der Ölexporte des Wüstenstaates gehen nach Deutschland, Italien ist mit einem Anteil von 40 Prozent Libyens größter Abnehmer bei den Erdölexporten. Dieses Land deckt über 20 Prozent seines Bedarfs an Öl in Libyen.
Belgien importiert nur geringe Mengen an Erdöl oder -gas aus Libyen. Hierzulande bezieht man das schwarze Gold vornehmlich aus Russland, dem Mittleren Osten und aus der Nordsee. Dennoch wird auch in Belgien die Preissteigerung beim Rohöl an den Zapfsäulen spürbar.
Aber das ist nicht alles: Auch die Wirtschaft ist hierzulande vom Höhenflug der Erdölpreise betroffen - und das, nach Angaben der Europäischen Zentralbank, sogar stärker als andere Länder der Eurozone. Die EZB rechnet vor, dass eine Preissteigerung beim Rohöl um zehn Prozent das Bruttoinlandsprodukt Belgiens um 0,4 Prozent schwächen könnte.
Energiepreise rauf, Wettbewerbsfähigkeit runter
Nach Angaben der belgischen Notenbank BNB würde man hierzulande das Gewicht, das durch hohe Ölpreise auf der Konjunktur laste, vor allem am Umfang der Exporte ablesen können. Steigende Energiepreise durch hohe Kosten für Rohöl würden nämlich aufgrund der Indexbindung die Lohnkosten hiesiger Unternehmer in die Höhe treiben. Das habe Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Investitionsfreude der Unternehmen, so die belgische Notenbank.
Im schlimmsten Fall gerät also durch die Unruhen und einen möglichen kompletten Lieferstopp für Rohöl aus Libyen der Wirtschaftsaufschwung auch in Belgien unter Druck.
So weit muss es aber nicht kommen - angesichts der Situation in Libyen ließ die Organisation erdölexportierender Länder OPEC wissen, dass sie gegebenenfalls mit einer Produktionssteigerung versuchen werde, die Preise für das schwarze Gold stabil zu halten.
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