Zur Schule, Ausbildung, Uni oder auch zur Arbeit pendeln. Die Kinder von und zum Kindergarten transportieren. Die Einkäufe vom Markt oder aus Geschäften nach Hause bringen. Schnell ins Schwimmbad oder zum Sportplatz kommen. Oder tatsächlich als Sportmittel selbst. Fahrräder können und werden für alles Mögliche benutzt, je nach Lebenssituation, Laune und verfügbarem Budget. Und gut zugegeben, es spielt auch schon eine große Rolle, wo man lebt und wie es dort um die Fahrradinfrastruktur bestellt ist. Aber egal wie, Tatsache ist, dass Fahrradfahren auch in Belgien immer beliebter wird.
Fahrräder hätten seit einigen Jahren Rückenwind, bestätigt auch Filip Rylant gegenüber der RTBF. Rylant ist Sprecher des Mobilitätsverbandes Traxio.
Es sei natürlich unmöglich, einen exakten Überblick über alle Fahrräder im Land zu haben, räumt Rylant ein. Denn schließlich müssen Fahrräder im Gegensatz zu etwa Autos nicht angemeldet oder versichert werden. Mit Ausnahme der sogenannten Speed-Pedelecs. Aber über den Branchenverband der Fahrradhändler sei es zumindest möglich, einen Großteil des Verkaufs neuer Fahrräder im Blick zu behalten.
Und diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Letztes Jahr seien in Belgien mindestens 570.000 Fahrräder verkauft worden. Also fast 100.000 mehr als Autos, betont Rylant.
Ebenfalls bemerkenswert: 2023 war erstmals mehr als die Hälfte der verkauften Fahrräder elektrisch. 51 Prozent, um genau zu sein. Das sei schon ein historischer Moment.
Diese Entwicklung werde sich auch fortsetzen, so der Traxio-Sprecher. Denn aus Umfragen gehe hervor, dass immer mehr Menschen von ihren traditionellen Drahteseln auf E-Bikes umsteigen wollten. Und die, die schon elektrisch unterwegs seien, würden auf neuere Modelle upgraden.
Das gilt auch nicht nur für in Anführungszeichen "normale" Fahrräder, also Stadträder: Auch bei Sporträdern setze sich die Elektrifizierung unaufhaltsam fort, also zum Beispiel bei Mountainbikes und Rennrädern.
Eine weitere Fahrradsparte profitiert ebenfalls stark vom Trend zum elektrischen Fahren: Lastenfahrräder und sogenannte Long Tails, bei denen Passagiere oder Fracht hinter dem Fahrer transportiert werden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Diese Art von Fahrrädern ist viel schwerer. Hier auf E-Unterstützung zurückgreifen zu können, anstatt nur auf die eigene Muskelkraft, hat das System deutlich attraktiver gemacht.
Fest etabliert haben sich außerdem die Speed-Pedelecs als Transportmittel für Pendler. Nach einer am Wochenende veröffentlichten Studie hat einer von acht belgischen Arbeitnehmern 2023 so ein Speed Pedelec benutzt, um den Weg zwischen Arbeitsplatz und Zuhause zurückzulegen.
Grundsätzlich, und da ist es auch relativ egal ob nun Speed Pedelec oder andere Fahrradart, wird in Flandern mehr Rad gefahren als in der Wallonie und in Brüssel. Wenn man sich beispielsweise die Verkaufs- und Leasingzahlen für Speed Pedelecs anschaut, dann entfallen satte 95 Prozent davon auf Flandern. Die Wallonie und Brüssel würden also gerade mal nur fünf Prozent des Marktes ausmachen. Das ist allerdings eine etwas verzerrte Wahrnehmung, erklärt Rylant, einfach weil die meisten Leasing-Anbieter ihren Sitz in Flandern hätten, die Pedelecs deswegen aber nicht zwangsweise auch dort eingesetzt werden müssten.
Im Großen und Ganzen stimmt der Eindruck aber natürlich trotzdem, dass in Flandern im Schnitt wesentlich mehr geradelt wird. Einerseits hängt das schlicht mit der Geografie zusammen - je flacher es ist, desto leichter radelt es sich. Und diese vorteilhafte Geografie macht auch das Bauen von Rad-Infrastruktur einfacher. Denn die ist der zweite große Knackpunkt: Während die Wallonie hier noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es in Flandern teilweise in sehr dichtes Netz aus breiten, gut unterhaltenen Radwegen, auf denen man schnell von A nach B gelangen kann.
Anders gesagt: Der Ausbau von Radwegen und anderer Infrastruktur in den anderen Landesteilen wird kritisch sein für die Zukunft des Fahrrads in Belgien. Aber immerhin dürften die geografischen Gegebenheiten durch die Elektrifizierung des Fahrradfuhrparks eine immer kleinere Rolle spielen.
Boris Schmidt