Auslöser einer Blutvergiftung ist immer eine Infektion. Dabei kann es sich um bakterielle Infektionen handeln, aber auch Pilze, Parasiten und Viren können zu einer Blutvergiftung führen. Eine Blutvergiftung ist dabei wohlgemerkt nicht die Infektion selbst, eine Blutvergiftung ist eine immunologische Reaktion des Körpers auf eine Infektion. Allerdings keine "normale" immunologische Reaktion, sondern eine, die völlig außer Kontrolle gerät. Das führt, grob vereinfacht gesagt, dazu, dass das eigene Immunsystem beginnt, die Organe zu schädigen. Und das kann schnell lebensbedrohlich werden. Eine Blutvergiftung, die nicht medizinisch behandelt wird, verläuft eigentlich immer tödlich. Entscheidend ist dabei auch der Faktor Zeit: Denn je später mit der Behandlung begonnen wird, desto geringer sind die Erfolgsaussichten.
Jeder könne eine Blutvergiftung bekommen, unterstreicht die bekannte Infektiologin Erika Vlieghe gegenüber der VRT. Aber bestimmte Bevölkerungsgruppen seien besonders gefährdet. Dazu gehörten beispielsweise Kleinkinder, sehr alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen, Menschen, die aus anderen Gründen anfälliger seien für Infektionen oder keinen regulären Zugang zum Gesundheitssystem hätten. Und sicher nicht zuletzt auch Personen, die bereits eine Blutvergiftung gehabt hätten. Deren Immunsystem bleibe für lange Zeit außer Kontrolle. Das mache solche Menschen also anfällig für neue Schübe.
Eine wissenschaftliche Untersuchung über das weltweite Vorkommen und die Verläufe von Blutvergiftungen hatte aber unter anderem zutage gefördert, dass Belgien in puncto Blutvergiftung und Überleben kein besonders gutes Bild abgibt – zumindest im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern. Deswegen hatte das Ministerium für Volksgesundheit im vergangenen Jahr einen nationalen Plan zur Bekämpfung von Blutvergiftungen in Auftrag gegeben.
Erika Vlieghe und eine Gruppe aus über 60 weiteren Experten aus verschiedenen Bereichen haben sich deshalb im letzten halben Jahr intensiv damit auseinandergesetzt, woran es hakt in Belgien und was verbessert werden kann. Dieser neue nationale Plan sei deutlich umfangreicher geworden als anfangs gedacht, aber das sei gut, betont Vlieghe.
Die Empfehlungen richten sich im Prinzip vor allem an zwei Adressaten. Zunächst an die Bevölkerung, denn hier mangele es an Bewusstsein für das Problem, so die Experten. Menschen kämen oft nicht oder erst viel zu spät auf die Idee, zum Arzt zu gehen, weil sie die Symptome für Blutvergiftungen nicht auf dem Schirm hätten. Dadurch gehe viel wertvolle Zeit verloren. Deshalb müsse den Menschen mit Sensibilisierungskampagnen Schritt für Schritt beigebracht werden, was eine Blutvergiftung eigentlich sei. Durch konkrete Szenarien mit Symptomen beispielsweise. Die Menschen müssten einfach den Reflex bekommen: Das und das ist jetzt eine Situation, in der Blutvergiftung zumindest eine Möglichkeit ist.
Aber nicht nur Laien haben oft Probleme, die Zeichen von Blutvergiftungen rechtzeitig zu erkennen, auch bei Ärzten und Pflegekräften ist da oft noch Luft nach oben, besonders, wenn sie keine oder wenig Erfahrung mit Blutvergiftungen haben. Deswegen müsse die Blutvergiftung in den Aus- und Fortbildungen eine höhere Priorität bekommen.
Ein weiterer Schritt ist die systematische Erfassung von Blutvergiftungsfällen und eine konstante Überwachung bestimmter Parameter bei Patienten, um gegebenenfalls Alarm schlagen zu können. So könne schneller eingegriffen werden, betont Vlieghe. Hier könnten etwa sogenannte "Rapid Response Teams" zum Einsatz kommen, Teams erfahrener Blutvergiftungsspezialisten, die Pflegekräften zu Hilfe eilen könnten.
Und dann sind da noch grundsätzliche Praktiken, die im Zusammenhang mit Blutvergiftungen aber besonders wichtig werden. Dazu gehört beispielsweise die Einhaltung von Hygieneregeln, um Infektionen zu vermeiden, die zu einer Blutvergiftung führen könnten. Oder auch eine gründlichere wissenschaftliche Erforschung des Problems, um Blutvergiftungen in Zukunft gezielter und effizienter bekämpfen zu können.
Boris Schmidt