Der Druck auf Israel wegen seiner Kriegsführung wird immer größer. Diesen Druck bekommen auch Einrichtungen und Firmen zu spüren, die mit dem Staat Israel, israelischen Einrichtungen oder israelischen Firmen zusammenarbeiten.
Gerade für Universitäten ist diese Situation ein großes Dilemma. Denn oft handelt es sich um akademisch oder wirtschaftlich wichtige Kollaborationen, die nun im Fadenkreuz von pro-palästinensischen Aktivisten stehen. Aber andererseits werden gerade an Universitäten besonders hohe moralische Ansprüche gestellt. Und angesichts der vielen zivilen Opfer im Gaza-Krieg ist sicher nicht jede Zusammenarbeit mit israelischen Partnern unproblematisch.
Nach einer langen Sitzung mit ihrem Menschenrechtsausschuss hat die Leitung der Universität Gent in der Nacht von Donnerstag auf Freitag mitgeteilt, dass sie sämtliche Zusammenarbeit mit israelischen Einrichtungen einstellen will. Davor war bereits die Zusammenarbeit mit drei israelischen Einrichtungen beendet worden. Die Universität Gent wolle nicht beteiligt sein an den sehr schweren Schändungen der Menschenrechte und des internationalen Rechts, heißt es dazu von Uni-Direktor Rik Van de Walle.
Das sei ein historischer Moment, dass die Universität bereit sei, durch ihre Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen, so die Reaktion einer Aktivistin gegenüber der VRT. Und es zeige, dass die Aktionen der Studenten etwas bewirkten.
Allerdings sind die Aktivisten noch nicht zufriedengestellt. Der Menschenrechtsausschuss habe einen negativen Bescheid für sechs Einrichtungen ausgesprochen. Aber sechs israelische Firmen hätten einen positiven Bescheid bekommen. Das bedeute, dass die Universität Gent ihre Zusammenarbeit mit diesen Partnern fortsetzen werde. Damit könne keine Rede von einem vollständigen akademischen Boykott sein, wie ihn die Aktivisten fordern. Deswegen würden die Protestaktionen weiter fortgesetzt. Eine der Firmen, mit der die Zusammenarbeit nicht beendet werde, arbeite etwa mit Israels größtem Waffenhersteller zusammen, führen die Aktivisten weiter aus.
Die Demonstranten lassen sich auch nicht von Erklärungen der Universität überzeugen, dass komplexe Verträge einen schnellen Ausstieg verhinderten. Die Universität habe auch lange behauptet, dass die multilateralen Beziehungen zu israelischen Universitäten nicht beendet werden könnten. Und dennoch sei genau das in der Nacht passiert.
Der Erfolg der Genter Aktivisten ist derweil Wasser auf die Mühlen der Besetzer an der Katholischen Universität Löwen. Ihr Protest dauert mittlerweile bereits 19 Tage an. Sie fühlten sich ermutigt, so ein Sprecher der Löwener Aktivisten. Das zeige, dass auch die anderen flämischen Universitäten ihre Verbindungen nach Israel kappen würden.
Die KU Löwen sei eine, wenn nicht sogar die größte Forschungsuniversität Europas. Aktuell gebe es hier fast 40 Kollaborationen mit israelischen Einrichtungen. Die KU Löwen trage eine deutliche Mitverantwortung und müsse diese Zusammenarbeit beenden, fordert der Aktivist. Denn die israelischen Partner unterstützten moralisch und materiell Völkermord, Apartheidssystem und ethnische Säuberungen.
In dem Sinne haben auch die Löwener Aktivisten angekündigt, ihre Besetzung und Aktionen fortzusetzen, bis ihre Forderungen erfüllt werden. An anderen Universitäten des Landes gehen die pro-palästinensischen Protestaktionen derweil ebenfalls weiter, unter anderem in Antwerpen und Brüssel.
Boris Schmidt