Anfang der 2000er Jahre hat Belgien in puncto Antibiotikaresistenzen ein alles andere als ruhmreiches Bild abgegeben. Um genau zu sein, hat Belgien damals sogar zu den fünf schlechtesten Schülern in Europa gehört, wie Boudewijn Catry im Interview mit der RTBF erinnert. Catry ist Epidemiologe an der Freien Universität Brüssel ULB und bei Sciensano verantwortlich für Antibiotikaresistenzen und Infektionen in der Pflege.
Heute, rund 20 Jahre später also, ist Belgien aber im europäischen Vergleich ins Mittelfeld aufgerückt. Die Kampagnen gegen einen zu starken Einsatz von Antibiotika hätten also funktioniert, unterstreicht Catry. Allerdings bleibe dennoch noch viel Luft nach oben.
Verbesserungen
Sowohl in der breiten Gesellschaft als auch in den Alten- und Pflegeheimen würden in den vergangenen Jahren deutlich weniger Antibiotika gebraucht. Das sei der erfolgreichen Sensibilisierung nicht nur der Hausärzte zu verdanken, sondern auch der Patienten selbst. Die Aufklärung über die möglichen Nebenwirkungen, sprich Gefahren durch einen zu leichtfertigen Umgang mit diesem zweischneidigen Schwert, hat also offensichtlich Früchte getragen.
Vor allem bei der Dauer der Behandlungen mit Antibiotika seien Verbesserungen zu verzeichnen, hebt der Epidemiologe hervor. Sprich es wird viel mehr als früher darauf geachtet, dass Antibiotika wirklich nur so lange eingesetzt werden, wie das gesundheitlich notwendig ist.
Früher seien Antibiotika oft pauschal für zwei oder drei Wochen verschrieben worden. Studien hätten aber gezeigt, dass die Behandlung oft deutlich verkürzt werden könne.
Allerdings warnt der Experte vor zu radikalen Schritten: Aus anderen Ländern kenne man auch Fälle, in denen sich ein zu kurzer Einsatz von Antibiotika negativ auf die Behandlung ausgewirkt habe. Vorsicht mit Antibiotika sei also gut, aber es gebe auch so etwas wie zu viel Vorsicht. Es gibt aber nach wie vor auch Sorgenkinder, wie Catry einräumt, zum Beispiel, was ganz bestimmte Erreger betrifft.
Multiresistente Keime
Aber im Großen und Ganzen sei es vor allem der Krankenhaussektor, in dem aktuell der Hauptkampf gegen Antibiotikaresistenzen geführt werden müsse. Diese Einschätzung bestätigen auch neue Zahlen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Denn aus denen geht hervor, dass sich in Belgien jedes Jahr knapp 157.000 Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts eine Infektion zuziehen. Und in rund einem Drittel der Fälle handelt es sich demnach um antibiotikaresistente Erreger, was ihre Behandlung deutlich erschwert.
Besonders großes Kopfzerbrechen bereiten Medizinern und Forschern dabei die sogenannten multiresistenten Keime. Das sind also Erreger, die nicht nur gegen ein Antibiotikum resistent geworden sind, sondern gleich gegen mehrere.
Deswegen seien mittlerweile sogar auf europäischer Ebene Ziele festgelegt, um genau dieses Problem der multiresistenten Erreger besser zu bekämpfen, erklärt der Sciensano-Spezialist.
Um diesem Problem beizukommen, sei vor allem ein noch stärkerer Fokus auf Hygiene in den Krankenhäusern essenziell. Die erfolgreiche und konsequente Anwendung entsprechender Protokolle reduziere die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Keimen deutlich.
Boris Schmidt