10.195 ist die beeindruckende Zahl an Dossiers, die der föderale Ombudsmann David Baele und sein Team 2023 eröffnet haben. Darunter waren zwar auch Informationsanfragen, aber meistens – in fast drei Viertel der Fälle – ging es dabei um Klagen von Bürgern. Im Vergleich zu 2018 ist das eine Steigerung von fast 45 Prozent.
Böse Zungen behaupten ja manchmal, dass Klagen mittlerweile so etwas wie ein Hobby oder ein Ventil für unzufriedene Menschen geworden ist. Aber das weist der Ombudsmann zurück: Nur drei von zehn Klagen würden als unbegründet zurückgewiesen, erklärt Baele am Mittwoch in der Zeitung Het Laatste Nieuws.
Der Ombudsmann vermutet eher, dass Menschen sich einfach immer bewusster werden, dass sie Rechte haben und dass sie sich auch wehren können. Und natürlich seien die entsprechenden Kontaktmöglichkeiten dank einer neuen Webseite des Ombudsmanns und der Präsenz in den Sozialen Medien auch einfacher zu finden als früher.
Aber der Ombudsmann sieht auch einen handfesten weiteren Grund: Natürlich habe die Rekordzahl an Klagen auch mit den aufeinanderfolgenden Krisen zu tun, so Baele in der VRT. Denn je nach Krise könne man ganz eindeutige Muster und Schwerpunkte erkennen. Zuerst kam ja die Pandemie, wodurch viele Menschen in Kurzarbeit gehen mussten. Das habe zu einer großen Welle an Klagen beim Ombudsmann über die Corona-Kurzarbeit-Bezüge geführt.
Kriege und humanitäre Krisen hätten dann für eine große Belastung in puncto Asyl und Migration gesorgt und für viele Klagen über die dafür zuständigen Dienste, etwa wegen Nicht-Erteilung von Visa.
Energieprämien
Und schließlich der ganz dicke Brocken 2023: die Energiepreiskrise – beziehungsweise die Energieprämie der föderalen Regierung, über die es sehr viele Klagen gegeben habe. Jede vierte Klage habe sich um die Energieprämie gedreht. Noch nie zuvor habe der föderale Ombudsmann so viele Klagen über ein einzelnes Thema erhalten, das sei wirklich enorm gewesen, betont Baele.
Ein grundsätzliches Problem sei das lange Warten auf eine Behördenantwort. Das sei extrem frustrierend für Bürger, besonders ohne irgendwelche Erklärungen oder Rückmeldungen vonseiten der Behörden, warum das Ganze so lange dauere.
Deshalb ist eine Empfehlung des Ombudsmanns an die Behörden auch, klarer zu kommunizieren. Das könne schon zu mehr Verständnis über Verzögerungen führen. In den gleichen Bereich fällt auch die Forderung nach Online-Tools, die nicht nur sicherer, sondern vor allem auch anwenderfreundlicher sind. Und dann müsse auch unbedingt der behördeninterne Kundendienst verbessert werden, um Klagen selbst zu bearbeiten und Missstände zu beheben.
Aber der Ombudsmann hat auch Verständnis. Angesichts einer immer größeren Arbeitsbelastung und neuer Herausforderungen werde es für die Behörden einfach immer schwieriger, qualitative Dienstleistungen zu liefern, so Baele. Aber dennoch dürften nicht die Bürger die Leidtragenden solcher Entwicklungen sein. Denn das führe nicht nur zu Frust, langfristig drohten die Bürger dadurch auch das Vertrauen in den Staat und in die Demokratie zu verlieren, warnt der föderale Ombudsmann.
Boris Schmidt