Krebs ist immer eine furchterregende und sehr einschneidende Diagnose, unabhängig vom Alter. Bei der AYA-Kampagne geht es auch nicht darum, Leid gegeneinander aufzuwiegen. Es geht schlicht darum, dass Menschen je nach Lebensphase unterschiedliche Bedürfnisse haben.
"Menschen zwischen 15 und 35 Jahren sind nicht die typische Bevölkerungsgruppe, die einem zuerst in den Sinn kommt, wenn von Krebs die Rede ist", erklärt Brecht Guns von der Stiftung gegen Krebs in der VRT. Dennoch habe diese Gruppe sehr spezifische Bedürfnisse, angefangen bei den körperlichen Bedürfnissen. Medizinisch betrachtet wirkten bestimmte Behandlungsmethoden bei Kindern einfach besser als bei jungen Erwachsenen. Deswegen sei es auch so wichtig, genau darüber nachzudenken, welche Behandlungen am vielversprechendsten und passendsten seien.
Aber daneben gehe es bei jungen Erwachsenen vor allem um die psychosoziale Ebene. Oft sei sehr spezifische Unterstützung notwendig, wenn in diesem Alter eine Krebsdiagnose komme, erklärt Brecht Guns. Die Identität eines Menschen werde genau in dieser Phase des frühen Erwachsenseins maßgeblich geprägt. Es sei auch oft die Zeit für wichtige Weichenstellungen für das spätere Leben - beispielsweise Studium, eine Familie gründen, ein Haus bauen oder vieles mehr. Es sei auch die Zeit, in der Menschen wirklich unabhängig würden von ihren Eltern.
All dem könne eine Krebsdiagnose aber einen zumindest schweren Schlag versetzen. Wer sich einer Krebs-Behandlung unterziehen muss, muss kürzer treten, was Arbeiten oder auch Studieren angeht, wie Guns erklärt. Hausbau oder das Abbezahlen von Krediten könne eine zusätzliche schwere Belastung sein. Die Erkrankung könne einen plötzlich und unerwartet wieder abhängig machen von anderen Menschen. Gerade bei jungen Menschen seien auch Fragen rund um Fruchtbarkeit wichtig, also die Frage, ob und wie eine Krebsbehandlung das Kinderkriegen beeinflussen könne.
In Belgien bekämen pro Jahr etwa 1.700 Jugendliche und junge Erwachsene eine Krebsdiagnose. Aber glücklicherweise sei die Überlebenschance mit fast 90 Prozent sehr hoch. Sehr viele Patienten dieser Gruppe überlebten den Krebs also. Das bedeute im Umkehrschluss aber eben auch, dass sie noch ein Leben mit den Konsequenzen der Erkrankung oder ihrer Behandlung vor sich hätten. Denn auch dieser Aspekt werde häufig unterschätzt, so die Stiftung gegen Krebs.
Mit der Chemotherapie sei es normalerweise nicht getan, es folgten oft noch jahrelange Behandlungen, beispielsweise mit Hormonen. Einfach in sein altes Leben zurückkehren sei in vielen Fällen also nicht möglich oder zumindest nicht so einfach. Auch deswegen ist die Arbeit der Krebs-Referenzzentren so wichtig: Seit Anfang dieses Jahres können sich junge Erwachsene, bei denen Krebs diagnostiziert worden ist, an eins der sechs Zentren wenden. Sie erhalten dort dann auf sie und ihre Lebenssituation zugeschnittene medizinische, aber eben auch psychosoziale Unterstützung.
Boris Schmidt