Alain Blancke von der christlichen Gewerkschaft ACV ist im Fernsehen der VRT deutlich. "Anlass für den Streik sind Überbelegung und Gewalt. Wir stellen fest, dass dagegen nichts getan wird." Wenn Blancke von "wir" spricht, kann darunter tatsächlich die große Mehrheit der Mitarbeiter der 38 Gefängnisse, die es in Belgien gibt, verstanden werden. Sowohl Blanckes christliche Gewerkschaft als auch die sozialistische und liberale Gewerkschaft beteiligen sich am aktuellen Streik. Überall im Land sind ab Dienstag deshalb nur Notdienste in den Gefängnissen im Einsatz.
Von den Gründen für den Streik ist zumindest die Problematik der Überbelegung nicht neu. Seit Jahren schon sind alle Plätze in den belgischen Gefängnissen belegt. Trotzdem kamen immer weitere Gefangene hinzu. Vor gut einem Jahr waren die Gefängnisse zu 117 Prozent ausgelastet. Dieses Jahr sind es immer noch 114,6 Prozent. Die Zahl ist also leicht rückläufig. Aber immer noch befinden sich rund 1.500 Gefangene zu viel in den Gefängnissen des Landes.
Seit Monaten klagen die Mitarbeiter über diese Zustände. Immer mal wieder kam es zu kurzen Streiks an ein paar Gefängnissen. Gespräche mit Vertretern des Justizministeriums wurden geführt: mit dem ehemaligen Justizminister Vincent Van Quickenborne genauso wie mit seinem Nachfolger Paul van Tigchelt, beide von den flämischen Liberalen der Open VLD.
Maßnahmenpaket ungenügend
Eine strukturelle Lösung des Problems sei laut der Gewerkschaften allerdings nicht in Sicht. Auch das bislang letzte Maßnahmenpaket, dass Minister van Tigchelt am vergangenen Donnerstag vorgelegt hatte, um einen möglichen Streik doch noch abzuwenden, habe keine Lösung gebracht, sagt Blancke. "Für uns war das viel zu wenig, reiner Unsinn", fügt er hinzu.
Was genau in diesem Maßnahmenpaket des Ministers stand, erklärt Blancke nicht. Aber seiner Meinung nach hätten die Maßnahmen nichts am Problem der Überbelegung geändert. "Zumindest nicht in diesem Jahr", sagt er und betont dann noch einmal, dass sich an den unsicheren Arbeitsbedingungen für die Angestellten in den Gefängnissen nichts ändern werde, wenn der Minister nicht endlich mehr konkrete Maßnahmen beschließen werde.
Eine Reaktion von van Tigchelt gab es zunächst nicht. Im Verlauf des Dienstages wollen die Gewerkschaften am Gefängnis in Merksplas in der Provinz Antwerpen eine Protestaktion veranstalten. Nicht ohne Grund: Justizminister van Tigchelt stammt aus der Provinz Antwerpen.
Am Donnerstag wollen sich beide Seiten zu neuen Gesprächen am Verhandlungstisch wiedertreffen.
Kay Wagner