Es dürfte eine inhaltsschwangere Woche werden, hier auf dem innenpolitischen Parkett Brüssels. Der scheidende Premier Yves Leterme hatte schon für 8.00 Uhr zu ersten Gesprächen ins Lambermont, seinen Amtssitz, gebeten. Es galt, den Sozialpartnern den Kompromissvorschlag seiner Regierung zum unlängst von zwei großen Gewerkschaften verworfenen Rahmentarifabkommen 2011-2012 für die Beschäftigten der Privatwirtschaft vorzulegen und zu erläutern.
Dabei gaben sich die Gewerkschaftsvertreter von CSC, CGSLB und FGTB die Klinke in die Hand, bevor am frühen Nachmittag auch die Arbeitgeber zum Premier kamen, um über einen Kompromiss zu Lohnnorm, Renten- und Sozialleistungen oder der Angleichung der Statute von Arbeitern und Angestellten zu reden.
Der Kompromiss, den der Premier mit seinem Kabinett letzte Woche in einer Mammutsitzung erarbeitet hatte, wird also jetzt von den Sozialpartnern erneut dahingehend geprüft, ob er denn bei der Basis konsensfähig ist. Unter 100 Millionen Euro soll der Kompromiss die Staatskasse kosten, für den Etat also verkraftbar, hatte es letzte Woche von der Regierung dazu geheißen.
Selbst aus den Reihen der Noch-Oppositionsfraktionen von N-VA und Groen! war zu vernehmen gewesen, dass man die angepasste Version des Mantelabkommens im Parlament stützen und somit durchwinken könnte. Diese Unterstützungsfront zeigte am Wochenende dann aber erste Risse. Die Neue Flämische Allianz und Groen! äußerten Kritik am Rahmentarifabkommen, so wie es der Premier letzte Woche korrigiert präsentiert hatte. Abzuwarten jetzt, wie die Sozialpartner auf das angepasste Dokument reagieren. In trockenen Tüchern ist es noch nicht.
Der neue Haushalt
Yves Leterme will indes diese Woche mit seinem Kabinett ein weiteres schwieriges Kapitel aufschlagen: Die Vorbereitung des Staatsetats für das laufende und das kommende Jahr. Der König hatte den Premier und dessen nur noch geschäftsführend im Amt befindliche Regierung darum gebeten. Die Vorgaben sind klar: Es muss gespart werden. Wenigstens 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr. Das Haushaltdefizit soll bei 3,7% des BIP liegen. Damit will man auch die EU beruhigen. Wo, also in welchen Ressorts, der Rotstift angesetzt wird, das wird am Kabinettstisch schon bald heftig diskutiert werden.
Die Regierungsbildung
Didier Reynders, der heute an der Spitze der MR übrigens von Charles Michel als Parteichef abgelöst wird, dürfte derweil letzte Hand an seinen Bericht für König Albert legen. Am Mittwoch will Reynders dem Staatsoberhaupt das Ergebnis seiner Arbeit als Informateur vorlegen.
Nach dem, was von Reynders Absichten an die Öffentlichkeit gelangte, entstand der Eindruck, dass Reynders sehr wohl eine Möglichkeit sieht, die festgefahrenen Verhandlungen zu Staatsreform und Regierungsbildung wieder in Gang zu bringen. Allerdings nicht mit den sieben bislang beteiligten Parteien, sondern auf der Grundlage der scheidenden Koalition, die man um die N-VA von Bart De Wever ergänzen würde.
Ob eine solche Konstellation tatsächlich lebensfähig ist, wird auch von den flämischen Christdemokraten der CD&V abhängen. Sagt deren Parteichef Wouter Beke ja zu dieser Formel, dürfte es für den PS-Vorsitzenden Elio Di Rupo allerdings äußerst schwierig werden, seine flämische Schwesterpartei SP.A in die nächste Regierungskoalition auf föderaler Ebene zu hieven. Auch die Grünen von Ecolo und Groen! wären dann nicht mit in der Koalition.
Übermorgen wird Didier Reynders auf Schloss Laeken erwartet. Dann wird sich zeigen, ob seine Mission möglicherweise verlängert wird, ob ihm der König ein Alter Ego aus Flandern für weitere Sondierungsarbeiten zur Seite stellt oder ob Didier Reynders nach gelungenem Auftrag den Weg für einen Regierungsbildner frei machen kann. Eine Aufgabe möglicherweise für Elio Di Rupo. Sollte nichts von dem eintreten und Reynders Auftrag Mitte der Woche als gescheitert enden, dann kommen wir Neuwahlen damit vermutlich wieder ein Stückchen näher.
Bild: Virginie Lefour (belga)