Die Bedeutung der gemeinsamen Datenbank der belgischen Behörden kann wohl nicht hoch genug eingeschätzt werden: Der Anti-Terror-Stab OCAM selbst, der die Datenbank verwaltet, bezeichnet sie sogar als das "Rückgrat" des Kampfes des demokratischen Rechtsstaats gegen Extremismus und Terrorismus.
Laut den jetzt vorgestellten Zahlen hat die Datenbank im vergangenen Jahr die Namen von 650 Personen enthalten. Die gute Nachricht ist, dass der Trend rückläufig ist: 2023 seien 30 neue Personen hinzugefügt worden, präzisiert OCAM-Direktor Gert Vercauteren. Im gleichen Zeitraum seien allerdings 80 Menschen gelöscht worden. Also effektiv ein Minus von 50 Verdächtigen, was einem Rückgang von sieben Prozent entspreche im Vergleich zu 2022.
Dafür gibt es natürlich Gründe. Die Auswirkungen der Syrien-Krise hätten deutlich nachgelassen, erklärt Vercauteren gegenüber der VRT, und damit auch das Problem der ausländischen terroristischen Kämpfer. Eine doch beträchtliche Zahl ehemaliger Kämpfer sei nach Verbüßung langjähriger Haftstrafen mittlerweile erfolgreich in die Gesellschaft reintegriert. Und wer sich über einen sehr langen Zeitraum positiv entwickle und nicht negativ auffalle, werde eben aus der Datenbank entfernt.
Die erwähnten ausländischen Kämpfer machen aber nach wie vor einen Großteil der beobachteten Personen aus, genau gesagt fast 62 Prozent. Die zweitgrößte Gruppe sind die sogenannten potenziell gewalttätigen Extremisten mit knapp 16 Prozent. Das sind gewaltbereite Extremisten, die aber noch nicht zur Tat geschritten sind und auch noch keine konkreten Schritte unternommen haben.
Die drittgrößte Gruppe mit 13 Prozent sind dann schon sogenannte Hass-Propagandisten, also Personen, die andere radikalisieren mit gewalttätigen Ideologien. Auch hier ist die Verteilung eindeutig – 88 Prozent Islamisten, neun Prozent Rechtsextremisten und zwei Prozent Linksextremisten finden sich auf der OCAM-Liste.
Der Rückgang der Zahl der beobachteten Personen bedeute übrigens nicht, dass das Bedrohungsniveau gesunken wäre, betont der Anti-Terror-Stab. Die durchschnittliche Bedrohung, die eine Person in der OCAM-Datenbank darstelle, habe sogar leicht zugenommen.
Der föderale Justizminister Paul Van Tigchelt nennt dafür vor allem zwei Gründe: mehr Menschen mit psychischen Problemen und vor allem immer mehr Minderjährige, die sich rasend schnell über das Internet radikalisieren. Oft gehe es dabei um Minderjährige mit einem zentralasiatischen Migrationshintergrund, also zum Beispiel Tschetschenen und ähnliches, die unter dem Einfluss von Hasspredigern stünden, so Van Tigchelt.
Was den sogenannten "Islamischen Staat – Khorasan" betrifft, kurz ISKP, der ja auch die Verantwortung für den Anschlag auf die Moskauer Konzerthalle übernommen hat, räumen die belgischen Verantwortlichen eine mögliche Gefahr auch hierzulande ein. Der ISKP sei eine Bedrohung, das dürfe man nicht verharmlosen, unterstreicht OCAM-Direktor Vercauteren. Für ihn sei der ISKP im Moment der einzige IS-Ableger, der sowohl die Absicht als auch die Mittel habe, Anschläge zu verüben, auch im Westen. In den Nachbarländern seien ja bereits Verdächtige festgenommen worden mit Verbindungen zum ISKP oder möglichen Anschlagsplänen.
Deswegen könne man so etwas auch in Belgien natürlich nicht ausschließen. Eine Aussage, die der Direktor allerdings noch etwas relativiert. Belgien sehe sich eher einer Bedrohung durch Einzeltäter gegenüber, die sich vom Dschihadismus inspirieren ließen, so Vercauteren gegenüber der RTBF. Also nicht mit Tätern, die direkt Terrorgruppen wie dem ISKP angehörten.
Boris Schmidt