Mehr als 300 Delegationen aus Politik, Wissenschaft und Industrie, darunter allein rund 20 Staats- und Regierungschefs: Es ist ein Großaufgebot an Internationalität, das sich am Donnerstag ein Stelldichein in Brüssel gibt, um nichts Geringeres als die Zukunft der Atomenergie zu besprechen.
Ein Ereignis, das sich angekündigt hatte. Auf der Weltklimakonferenz in Abu Dhabi Ende vergangenen Jahres wurde es bereits angedacht. So stellte es zumindest Premierminister Alexander De Croo auf der Pressekonferenz dar, mit der jetzt auf das Großereignis hingewiesen wurde.
Atomenergie Teil des Energiepuzzles
In Abu Dhabi habe das Umdenken begonnen, sagte er. Da sei klar geworden, dass Atomenergie ein Teil der Lösung sein wird. "Und ich denke", so De Croo wörtlich, "dass es jetzt an der Zeit ist, das Thema global zu diskutieren."
Atomenergie als Teil der Lösung: Damit meint De Croo die Klimaziele, die sich die Welt gesteckt hat. Also die Abkehr von fossilen Brennstoffen, so wenig CO2 ausstoßen wie möglich, aber trotzdem den wachsenden Bedarf an Energie sichern.
Ohne Atomenergie werde das nicht klappen, sagte De Croo. Und diese Botschaft solle auch von der Konferenz in Brüssel ausgehen. Aber: "Das ist keine Werbeveranstaltung für Atomenergie", betonte De Croo. "Das ist eine Veranstaltung, die sagt: Atomenergie ist ein Teil des Puzzles. Es ist nicht das einzige Teil des Puzzles und viele andere Puzzleteile werden nötig sein."
Ohne das Puzzleteil Atomenergie werde es allerdings nicht gehen. Beziehungsweise extrem schwer werden, die Klimaziele zu erreichen, wenn man das so schnell wie möglich schaffen wolle. Was unbedingt nötig sei, glaubt der Premier.
Überraschende Worte vom Premier
Diese klaren Worte von De Croo überraschen. War es doch seine eigene Regierung, die endlich ernst gemacht hatte mit dem Atomausstieg Belgiens, der eigentlich schon längst hätte vollzogen werden sollen. Und nur dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist es zu verdanken, dass zwei Atommeiler nun doch noch zehn Jahre länger laufen sollen, als geplant. Als Ausnahme.
Wenn man De Croo allerdings jetzt vor der Atomkonferenz reden hört, scheint Atomenergie auch für Belgien wieder eine Option zu sein. So deutlich sagte De Croo das zwar nicht. Aber tatsächlich verteidigt er die Auffassung, dass erneuerbare Energien und Atomenergie nicht als Gegensätze gedacht werden sollten.
"Das gehört der Vergangenheit an", sagte De Croo. Und fügte hinzu: "Leute, die sich mit dem Thema auskennen, entscheiden sich nicht für das eine oder das andere. Sie wählen beides. Und das ist auch der richtige Ansatz, wie ich finde."
Mit der internationalen Konferenz zur Atomenergie mache Belgien es jetzt überdies vor, dass man sowohl das eine als auch das andere tun könne. Erst im vergangenen Jahr sei Belgien Gastgeber des internationalen Nordsee-Gipfels zur Förderung der Windenergie gewesen. Jetzt sei die Atomenergie dran.
Belgien Pionier in Atomtechnologie
Und auch dafür sei Belgien, wie bei der Windenergie, ein gut gewählter Gastgeber. "Warum ist es wichtig, dass das Treffen in Belgien stattfindet?", fragte sich De Croo selbst. Und gab sich selbst die Antwort: "Nun, ich glaube, wir gehören zu denjenigen in der Welt, die Menschen am besten zusammenbringen können. Aber das ist auch ziemlich symbolisch. Belgien ist immer schon ein Pionier in Sachen Atomtechnologie gewesen."
Und ein Pionier soll Belgien wohl weiter bleiben. Ein Pionier nämlich dabei, sowohl auf erneuerbare Energien zu setzen, als auch auf Atomenergie. Seine Regierung habe beschlossen, in so genannte SMR, kleine modulare Reaktoren zu investieren, sagte De Croo. In Kernspaltungsreaktoren also.
Womit klar sein dürfte, dass Belgien nicht nur als einfacher Gastgeber an dem Atomgipfeltreffen teilnehmen wird. Sondern auch als interessierte Partei.
Kay Wagner
Ich empfinde eine gewisse Schadenfreude darüber dass den Klimajüngern jetzt mit Bezug auf ihr eigenes Klimamärchen die Kernkraft wieder vor die Nase gesetzt wird.... 😁