"Ja! Natürlich! Was geben wir hier für ein Bild ab?" Leichte Resignation bei Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder, die in ihrer Amtszeit definitiv schon angenehmere Zeiten erlebt hat. Zumal die PS-Politikerin in den letzten Jahren viel dafür getan hat, das Image der Streitkräfte aufzupolieren. Der Skandal in der Kaserne von Amay ist da dann doch ein herber Rückschlag.
Menschenverachtende Aufnahmerituale, physische Gewalt, Demütigungen, Erpressung, Nötigung. Die Liste der Vorwürfe ist lang. Im Fokus stehen hier erstmal die Soldaten eines Zugs des 4. Pionierbataillons, das in Amay stationiert ist.
Waffen- und Drogenhandel ?
Die 30-köpfige Truppe war anscheinend durch und durch entgleist, bis sie in einer Parallelwelt weit außerhalb der Norm angekommen war. Einige dieser Soldaten haben regelrecht gemacht, was sie wollten, bis hin zum illegalen Handel mit Drogen und sogar Waffen. Nach einem Bericht der Zeitung Het Laatste Nieuws soll sogar die albanische Mafia unter den Kunden gewesen sein.
Ludivine Dedonder wollte die Information weder bestätigen, noch dementieren. Es gelte das Ermittlungsgeheimnis. Die gerichtlichen Untersuchungen seien schließlich noch nicht abgeschlossen. Aber, eins könne sie jetzt schon versichern: Sollten weitere Maßnahmen nötig werden, dann werde man nicht zögern, sie zu ergreifen.
Nur die Spitze des Eisbergs ?
Dass die Armeeverantwortlichen hier auch nicht vor drastischen Mitteln zurückschrecken, das haben sie bereits demonstrativ unter Beweis gestellt. Der betreffende Zug wurde kurzerhand aufgelöst, ein bespielloser Vorgang in der jüngeren Geschichte der Streitkräfte.
Doch ist dieser Skandal vielleicht nur die Spitze des Eisbergs? Diese bange Frage scheint sich auch die Verteidigungsministerin zu stellen. "Wir haben hier offensichtlich ein strukturelles Problem", räumt Dedonder in der RTBF ein.
Verwickelt in den Skandal sind sogar erfahrene Offiziere. Und aufgeflogen ist das Ganze nur, weil die Angehörigen eines Mitglieds des Zugs direkten Kontakt zur Verteidigungsministerin persönlich gesucht haben. Man misstraute offenbar den internen Anlaufstellen.
Und deswegen erneuere sie noch einmal ihren Appell an alle, die Opfer oder Zeugen von Übergriffen oder flagranten Fehlverhalten werden. Die mögen doch bitte ihre Hierarchie beziehungsweise die zuständigen Vertrauenspersonen kontaktieren.
"Taufe" nicht anderes als Vergewaltigung
Mindestens eine Person hat sich schon gemeldet. Allerdings wieder nicht bei einer armeeinternen Anlaufstelle, sondern bei der RTBF. Der Sohn oder die Tochter dieser Person ist bei den Streitkräften.
Und auch hier ist von menschenunwürdiger Behandlung die Rede. "Sie nennen das eine Taufe, aber das ist nichts anderes als eine Vergewaltigung." Der oder die anonyme Zeugin geht da auch noch in die grausigen Details. Die sind aber so abscheulich, dass sie an dieser Stelle nicht wiederholt werden.
"Diesen Fall kennen wir noch nicht", räumt die Verteidigungsministerin ein. "Aber, was soll ich sagen? Das ist unsäglich, inakzeptabel, unannehmbar. Und wir werden das aufklären, das verspreche ich", sagt Ludivine Dedonder.
Dedonder verspricht Nulltoleranz
Man sollte hier aber keine Verallgemeinerungen vornehmen, appelliert die Verteidigungsministerin nachdrücklich. Sie werde jedenfalls alles tun, um derlei Missstände ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Dies auch als Signal an künftige Rekruten, denn gerade jetzt in diesen unruhigen Zeiten suchen die Streitkräfte ja nach neuem Personal.
"Die Botschaft lautet: Es gilt Nulltoleranz, es gibt Anlaufstellen und jegliches übergriffige Verhalten wird bestraft. Solche Missstände werden wir niemals, wirklich niemals akzeptieren", sagt Ludivine Dedonder.
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Roger Pint