Gerade angesichts der ganzen Krisen sind gute Nachrichten nicht unbedingt das, was man von der Nationalbank erwartet. Aber genau die enthält der aktuelle Jahresbericht – zumindest zum Teil. Die belgische Wirtschaft habe 2023 viel geleistet, lobt der Gouverneur der Nationalbank, Pierre Wunsch. 1,5 Prozent habe das belgische Wirtschaftswachstum betragen, das sei drei Mal mehr als in den Nachbarländern. Und das sei schon außergewöhnlich, betont Wunsch im Interview mit Radio Eén.
Aber damit nicht genug: Die Arbeitslosigkeit ist ebenfalls auf einem historischen Tiefstand. Klar: Wenn die Wirtschaft läuft, dann werden Arbeitskräfte benötigt.
Auch mehr Investitionen
Und noch ein Parameter zeigt, dass die belgische Wirtschaft Gas gibt: Die Betriebsinvestitionen seien ebenfalls sehr kräftig gewachsen, und zwar um sechs Prozent. Eine sehr schöne Überraschung also.
Als Gründe für das starke Wachstum sieht Wunsch unter anderem die automatische Indexanpassung der Löhne. Die habe – wenn auch mit Verzögerung – zu einem Erhalt beziehungsweise im Vergleich zum Vorjahr zu einer Steigerung der Kaufkraft geführt. Und das kurbele eben den Konsum an. Dass mehr Menschen arbeiteten, steigere die durchschnittliche Kaufkraft natürlich ebenfalls.
Im internationalen Wettbewerb sind die Nachrichten für die belgische Wirtschaft allerdings weniger rosig: Belgien habe Marktanteile eingebüßt, die Nettoausfuhren seien gesunken. Als Ursache sieht Wunsch eine Kombination struktureller Faktoren, die der Industrie in ganz Europa massive Probleme bereiten. Besonders die Energiepreise spielten hierbei eine große Rolle: Obwohl sich die Lage schon deutlich entspannt habe, seien die nach wie vor höher als beispielsweise in den Vereinigten Staaten. Und würden es wohl auch bleiben, weil die Europäer wegen des Klimaschutzes deutlich strengere Auflagen hätten.
Sorgenkind Staatsfinanzen
Aber das größte Sorgenkind für den Gouverneur der Nationalbank sind – wieder einmal muss er selbst einräumen – die Staatsfinanzen: Die Verschuldung ist nämlich auch 2023 erneut gestiegen, auf mittlerweile über vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Damit gehöre Belgien zu den schlechtesten Schülern in Europa.
"Belgien gibt einfach mehr aus als der Rest Europas – und das ist auf Dauer einfach nicht haltbar." Deshalb hat Wunsch auch eine klare Forderung an die Politik: Die nächste Regierung müsse deutliche Anstrengungen unternehmen, um das Defizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken.
Es sei sehr wichtig, Reserven und Puffer anzulegen, wenn es der Wirtschaft gut gehe – also in Zeiten wie jetzt. Denn nur wenn solche Puffer vorhanden seien, sei es möglich Schocks abzufedern wie beispielsweise durch die Coronakrise. Ohne finanzielle Spielräume sei so etwas nicht möglich, sprich würden künftige Krisen umso härtere soziale Folgen haben.
Die Politik müsse bei ihren Ausgaben Prioritäten festlegen und klare Entscheidungen treffen, das müsse das Ziel sein. Überall mehr auszugeben, das sei mit den aktuellen Finanzen einfach keine Option, unterstreicht der Gouverneur der Nationalbank.
Boris Schmidt
Schon wieder wird die Index Anpassung von diesem Herrn kritisiert.
Ohne würden wir Streiks ohne Ende haben wie im östlichen Nachbarland.