Am Samstagabend wird Bouli Lanners wieder im Rampenlicht stehen. Bei den "Magritte du cinéma", dem belgischen Film- und Fernsehpreis, wird er diesmal als Präsident dabei sein. Um sich danach etwas vom Filmgeschäft zu verabschieden. In der nächsten Zeit will er sich nach eigenen Angaben vor allem um das Puppentheater kümmern, das er in Lüttich zusammen mit seiner Frau vor kurzem gegründet hat.
Lanners ist einer der Großen des belgischen Films. Er ist selbst neun Mal mit einem "Magritte" ausgezeichnet worden. Von daher kann es als kleine Überraschung gelten, womit er jetzt in einem Interview mit der RTBF rausrückte. "Ich bin belästigt worden", sagt Lanners. "Von einer Regisseurin, die älter war als ich. Und immer, wenn ich angefangen habe, darüber zu sprechen, haben die Leute gelacht. Weil ich ein Mann war, weil ich dick war. Und sie haben gesagt: Eh, da hast du aber Glück!"
Was genau die Regisseurin damals von Lanners wollte, was genau er unter dem Wort "Belästigung" versteht, wird in dem Interview nicht thematisiert. Auch den Namen der Regisseurin will Lanners nicht nennen. Ausdrücklich sagt er: "Ich werde nicht sagen, wer das war. Aber man braucht nur auf meinen Eintrag bei Wikipedia zu schauen. Es ist nicht kompliziert herauszufinden, um wen es sich handelt."
Schaut man tatsächlich bei Wikipedia nach, so lassen sich aus der frühen Zeit von Lanners' Schaffen eine Handvoll weibliche Regisseure finden in der langen Reihe der Filme, in denen Lanners mitgespielt hat. Frauen, die zudem noch älter sind als der heute 58-jährige Lanners. Um wen genau es sich also handeln könnte, ist ohne weiteres Wissen zum Leben und Schaffen des Künstlers nicht ganz so einfach herauszufinden.
"Ich wurde nicht gehört"
Doch darum geht es Lanners letztlich auch nicht. Es geht ihm nicht darum, Personen anzuklagen. Sondern das System. Dass es Menschen gibt, die eine Machtposition haben, und aus dieser Position heraus andere ausnutzen. Unabhängig vom Geschlecht. Und dass man den Opfern danach lange Zeit nicht zugehört hat.
Wörtlich sagt Lanners: "Ich wurde nicht gehört. Solche Dinge sind nicht an ein Geschlecht gebunden, sondern an die Machtstellung. Sie hatte "die Macht, um…", und es ist derjenige, der "die Macht, um…" hat, der sie gegen jemanden anders einsetzt."
Selbst heute falle es ihm noch schwer, über diese Sache zu sprechen. Das tue er auch nur sehr selten. Denn das, was er sage, werde nicht akzeptiert. "Weil ich ein Mann bin", begründet Lanners. Und ergänzt: "Ich gehöre zum Lager der Täter. Deshalb kann ich nur schwer darüber sprechen. Das ist ein bisschen, als ob ich mich entschuldigen würde. Als ob ich plötzlich einen Grund gefunden hätte, um das zu entschuldigen, was die anderen machen. Aber das ist gar nicht der Fall."
Man müsse sich aber das, was er damals erlebt habe, einfach nur mal im Rollenwechsel vorstellen. "Wenn man mich in die Rolle der Schauspielerin steckt und die Regisseurin in die Rolle des Regisseurs, dann haben wir direkt ein #MeToo." Und Lanners sagt auch: "Ich habe Freunde gehabt, die belästigt worden sind, die mir es nie gesagt haben. Erst 20 Jahre später haben sie gesagt: Hör mal, der da… Es ist sehr schwer, denn wir waren in einer Welt, in einer Gesellschaft, in der man systematisch weggehört hat. Heute hört man zumindest zu. Und das ist wichtig."
Kay Wagner
Da wird wieder eine neue Opfergruppe definiert.