Jetzt hat die Welt es nochmal schriftlich: Die Unterbringungskrise ist eine bittere Realität. Und die lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Laut Fedasil sind 2023 insgesamt knapp 30.000 Asylbewerber nach Belgien gekommen. Fast ein Drittel von ihnen konnte nicht untergebracht werden. Rund 9.000 Menschen, die also einfach auf der Straße gelandet sind.
Das Phänomen an sich ist nicht neu. "Wir sehen schon seit zweieinhalb Jahren, dass der Staat es nicht schafft, alle Asylbewerber unterzubringen", sagte in der VRT Ina Vandenberghe, stellvertretende Direktorin des föderalen Zentrums für Migration, Myria. Grundproblem ist natürlich, dass nicht ausreichend Unterbringungsplätze zur Verfügung stehen. Hinzu kämen aber die zu langen Prozeduren, beklagt Ina Vandenberghe. "Ums mal konkret zu sagen: Es kommen mehr Flüchtlinge an, als Menschen nach dem Ende ihrer Asylprozedur die Einrichtungen verlassen können."
Die Entscheidungen werden also zu langsam getroffen. Und, weil das so ist, braucht man auch eine relativ große Zahl an Unterbringungsplätzen. Zwar kämen durchaus Plätze hinzu. Das reiche aber nicht aus, um die Situation zu entkrampfen, beklagt die Vize-Direktorin von Myria.
Resultat von alledem ist dann also, dass tausende Menschen buchstäblich auf der Straße landen. In Brüssel kann man vor allem in den Vierteln um die großen Bahnhöfe auch die Folgen davon sehen. In der Regel sind es alleinstehende junge Männer, denen keine Unterbringung zugewiesen wird. Das hatte ja die zuständige Asylstaatssekretärin im Sommer vergangenen Jahres auch genauso entschieden. Sie wollte Familien mit Kindern Vorrang geben, eben weil sie wusste, dass nicht ausreichend Plätze zur Verfügung stehen.
Vor diesem Hintergrund sei diese Entscheidung natürlich nicht unlogisch, sagt Ina Vandenberghe von Myria. Allerdings hat das zur Folge, dass die alleinstehenden Männer mehr oder weniger dauerhaft ihrem Schicksal überlassen werden. Denn die Aussicht, dass ihnen doch nach einer gewissen Zeit eine Unterkunft zugewiesen werden kann, sei gering, eben weil immer neue Flüchtlinge ankommen. De facto tut man fast so, als hätten sie keinerlei Rechte.
Und das hat dann noch einen perversen Nebeneffekt: Weil die alleinstehenden Männer keine Unterkunft bekommen, können sie sich auch nicht auf das sogenannte Asylinterview vorbereiten, also die persönliche Anhörung. Und das ist der mit Abstand wichtigste Termin innerhalb eines Asylverfahrens. Genau für diese Vorbereitung dient ja eigentlich die Unterbringung in einem Asylbewerberheim. Diese Menschen sind also doppelt gestraft: Sie kriegen keine Unterkunft und sie haben deswegen auch nicht die Möglichkeit, in ihrem Verfahren weiterzukommen.
Die zuständige Asylstaatssekretärin Nicole de Moor kann derweil offensichtlich nach wie vor auch nicht viel mehr tun, als festzustellen. Zwar habe man die Krise aktuell besser im Griff als im vergangenen Jahr. Man habe auch in Zusammenarbeit mit der Region Brüssel zusätzliche Unterbringungsplätze geschaffen. Doch habe sie auch immer offen zugegeben, dass das nicht reicht, dass die Krise noch nicht vorbei ist. Und deswegen bleibe es bei der Anordnung, dass Familien mit Kindern und anderen schwächeren Personen Vorrang eingeräumt wird.
"Mag ja alles sein", erwidert Ina Vandenberghe vom föderalen Zentrum für Migration. "Zugegeben: Wir stehen tatsächlich vor einem komplexen Problem, das sich mit der Zeit nur noch verschlimmert. Aber: Wenn es nur den politischen Willen gibt, wenn alle zuständigen Stellen wirklich eine Lösung wollen, dann kann man die auch finden."
Roger Pint
Im Prinzip ist die Lösung nicht schwer.Das Gesetz so ändern, dass der Staat nur so viele Plätze zur Verfügung stellen muss wie er Mittel dazu hat.Das wäre am glaubwürdigsten.
Das Schaffen zusätzlicher Plätze ist keine Lösung.Das erhöhte den Anreiz zu kommen.Das ist eine Spirale ohne Ende und ist keinem belgischen Bürger zu vermitteln.Ist auch Wasser auf die Mühlen der rechtsradikalen Parteien.
Man sollte sich am australischen Vorbild orientieren, dh null Toleranz gegenüber illegalen Einreisenden, die hier einen Asylantrag stellen.Asylanträge dürften nur noch im Ausland gestellt werden.Würde auch für mehr Gleichheit sorgen.Denn das jetzige System bevorzugt faktisch, die sich eine "Flucht" irgendwie leisten können.Die es vielleicht am nötigsten hatten, bleiben auf der Strecke.