Um 12,7 Prozent haben sich Lebensmittel in Belgien verteuert. Ein Einkaufswagen, der letztes Jahr noch 100 Euro kostete, für den bezahlt man jetzt also 112,70 Euro. Wirklich überraschen dürfte das niemanden. Auch Olivier Malay hat an der Supermarktkasse in letzter Zeit immer mal wieder große Augen gemacht. "Wie kann das sein?", hat sich der junge Mann gefragt.
Weil er an der Freien Universität Brüssel unter anderem Wirtschaftswissenschaften doziert, hat er aus der Frage quasi einen Forschungsauftrag gemacht. Wer hat da an der Preisschraube gedreht?
Die Erzeuger, also die Bauern, die sind es nicht. Sie gehen ja genau aus diesem Grund auf die Straße: weil sie keine angemessenen Preise für ihre Produkte bekommen.
Sind es also tatsächlich die Supermärkte, die sich gerade die sprichwörtliche Goldene Nase verdienen? "Nein", so das eindeutige Urteil von Olivier Malay. Laut seinen Erkenntnissen hätten die Warenhausketten in der fraglichen Zeit keine "Übergewinne" verbucht, sagte der Forscher in der VRT. Zwar hätten die Supermärkte höhere Umsätze verzeichnen können, doch seien parallel dazu die Kosten noch stärker gestiegen.
Wer also dann? "Naja, profitieren konnte in erster Linie die Lebensmittelindustrie ", sagt Olivier Malay. "Die verarbeitenden Betriebe haben stattliche Gewinne verbuchen können: ein Plus von 33 Prozent im Durchschnitt. Und wenn wir nur auf die großen Unternehmen schauen: Die konnten ihre Gewinne sogar um 72 Prozent steigern."
Die "glorreichen Sieben" - sieben Großkonzerne, die den belgischen Markt beherrschen - haben sogar alle Rekorde gebrochen. Beispielsweise hat das Unternehmen Agristo, das vor allem Kartoffeln weiterverarbeitet, seinen Gewinn vervielfacht. "Der Gewinn von Agristo belief sich in den letzten Jahren immer so auf rund 30 Millionen Euro. 2022 waren es plötzlich 112 Millionen", erklärt Olivier Malay.
Ein Plus von 635 Prozent, wie die Zeitung Het Laatste Nieuws vorrechnet. Das Blatt veröffentlicht auch die Zahlen der übrigen sechs und auch da kann einem regelrecht schwindlig werden. Dreistellige Prozentzahlen bei der Gewinnentwicklung sind die Regel. Einsamer Spitzenreiter ist aber das Unternehmen Clarebout Potatoes, das ein Plus von sage und schreibe fast 6.000 Prozent verzeichnen konnte. Das Geld werde zudem in der Regel nur bedingt in das Unternehmen investiert, sondern fließe im Wesentlichen an die Anteilseigner, sagt Malay.
Bei Fevia, dem Verband der Lebensmittelindustrie, reagiert man allerdings wenig begeistert auf die ULB-Studie. "Die Forscher betreiben hier Rosinenpickerei", hieß es da. Man lenke die Scheinwerfer nur auf besonders krasse Einzelfälle. "Die durchschnittliche Gewinnmarge in der Branche befindet sich eigentlich auf einem historischen Tiefpunkt", sagt Sprecherin Aurélie Gerth. Das gehe aus offiziellen Zahlen der Nationalbank und auch der Preisbeobachtungsstelle hervor.
Schuld an dem Ganzen seien letztlich immer noch die Supermärkte, die seit Jahren einen Krieg um die niedrigsten Preise ausfechten und damit enormen Druck auf die gesamte Kette ausübten, sagt die Fevia-Sprecherin.
Wie dem auch sei: Was lernen wir denn jetzt daraus? "Nun, die Bauern wissen jetzt, wer hier den Reibach macht, bei wem also was zu holen wäre", sagt Olivier Malay. "Doch auch der Staat kann aktiv werden. Etwa in Form einer Übergewinnsteuer, wie sie ja auch schon für den Energiesektor gilt."
Roger Pint
Das ist zu einfach …. Wo bleibt der Übergewinn an der Mwsteuer???
Die Basis omwsteuer ist gestiegen somit hat der Staat auch mehr eingenommen….
War das nicht in der Studie vorgesehen oder durfte nicht publiziert werden ?