Im letzten Jahr sind in Belgien 213.873 Menschen von Lebensmittelbanken unterstützt worden. Das ist ein neuer Rekord. Fast 24.000 Tonnen Lebensmittel sind im vergangenen Jahr von den Lebensmittelbanken verteilt worden, das entspricht rund 47 Millionen Mahlzeiten.
Eine Leistung, auf die die Banken stolz sein können, keine Frage - allerdings ist es natürlich auch ein trauriger Rekord, wenn so viele Menschen in Belgien auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind.
"Jedes Jahr hoffen die Lebensmittelbanken, dass der Peak bei den Bedürftigen endlich erreicht wird", erklärt Geschäftsführer Marc Mertens in der VRT. Aber die Zahlen stiegen immer weiter. Und das sei sehr bedauerlich. Die letzten Jahre seien schwierig gewesen, räumt Mertens ein. Und auch, wenn sich die Wachstumskurve etwas abgeflacht habe, bleibe eine Zunahme der Bedürftigen eben immer eine Zunahme.
Zugegeben, im Vergleich zu 2022 wirkt die Steigung 2023 relativ harmlos. Aber wenn man die aktuellen Zahlen mit 2019 vergleicht, also dem Jahr vor dem Beginn der diversen großen Krisen, kann kein Zweifel mehr bestehen am Ernst der Lage. Im Vergleich zum Jahr 2019 sind die Anfragen um 27 Prozent gestiegen. Das seien 45.000 Münder mehr, die gefüttert werden wollten, sagt Mertens.
Single-Mütter und junge Menschen
Ein Viertel der Menschen, die bei den Lebensmittelbanken anklopften, seien Single-Eltern, vor allem alleinstehende Mütter mit Kindern. Und auch der Anteil von Kindern und Jugendlichen sei hoch. Jeder fünfte Hilfeempfänger sei jünger als 14 Jahre, rechnet Mertens vor. Und dann gebe es natürlich auch immer mehr Rentner und Studenten, die sich regulär nicht mehr ausreichend Nahrungsmittel leisten könnten.
Eine gute Nachricht ist zumindest, dass die Nahrungsmittelspenden von Industrie und Handel im vergangenen Jahr wieder deutlich gestiegen sind. Hilfe für die Banken gab es auch vom Europäischen Sozialfonds. Aber dennoch mussten die Lebensmittelbanken erneut Lebensmittel aus eigener Tasche dazukaufen, um den Bedarf zu decken.
Die Frage ist allerdings, wie sich die Spenden zum Beispiel von Großhandelsketten in Zukunft entwickeln könnten, wie Pierre Labouverie erklärt, der Geschäftsführer der Lebensmittelbank Brüssel-Brabant. Er befürchte, dass die Supermärkte dank KI und anderer neuer Technologien in Zukunft viel genauer planen könnten, so Labouverie gegenüber der RTBF. Ganz einfach, um Verluste durch nicht verkaufte Waren zu minimieren. Aber genau solche Waren seien es ja, die bislang an die Lebensmittelbanken gingen.
Beispiel Frankreich
Der Verband der Lebensmittelbanken will deshalb, dass die Politik aktiv wird, um Nahrungsmittelspenden von Handel und Industrie attraktiver zu machen. Gerade was Mehrwertsteuer und Versteuerung angehe, habe Frankreich beispielsweise ein deutlich einfacheres System, führt Verbandspräsident Piet Vanthemsche aus.
Deswegen fordern die Lebensmittelbanken die Parteien und die nächste Regierung auf, eine mögliche Änderung des aktuellen Systems zu prüfen. Es müsse mehr Anreize geben für Nahrungsmittelspenden an die Banken - also eine bessere steuerliche Absetzbarkeit solcher Spenden für die Industrie und mehr zeitliche Flexibilität.
Aktuell ist es nämlich tatsächlich so, dass es für Unternehmen perverserweise steuerlich günstiger ist, Lebensmittel und Getränke mit kurzem Haltbarkeitsdatum entweder zu Schleuderpreisen abzustoßen oder sogar, sie zu vernichten. Bei der Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung sei also eindeutig noch Luft nach oben - und damit auch für Maßnahmen, um Bedürftigen besser helfen zu können.
Boris Schmidt