Es ist eine Binsenweisheit, dass so gut wie keine Baustelle pünktlich fertig wird. Das wissen die Bauunternehmer, das wissen die dort tätigen Arbeitnehmer und das sollten auch die Auftraggeber wissen. Für Verzögerungen kann es dabei sehr unterschiedliche Gründe geben. Auf manche haben die Betroffenen Einfluss, anderen stehen sie hingegen selbst mit dem besten Willen ziemlich machtlos gegenüber. Man denke etwa nur zurück an die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Lieferketten. Oder eben an das Wetter.
Beim Bau sei man daran gewöhnt, unter sehr unterschiedlichen Wetterbedingungen zu arbeiten, unterstreicht Nico Demeester, Geschäftsführer des Baufachverbandes Embuild, in der VRT. Aber das Wetter werde nun mal immer extremer. Lange Hitze, lange Kälte, lange große Nässe – das mache es natürlich sehr schwierig, Zeitpläne einzuhalten.
Um zeitnah auf das Wetter reagieren zu können, sind die entsprechenden Regelungen im belgischen Bausektor schon relativ flexibel, wie ein Bauherr erklärt. Manchmal sage er seinen Arbeitern erst eine halbe Stunde vorher Bescheid, dass die Baustelle geschlossen bleibe.
Aber das geht dem Baufachverband nicht weit genug. Wenn heute die Arbeiten wegen schlechten Wetters nicht fortgesetzt werden könnten, dann müssten die Arbeitnehmer immer für einen ganzen Tag in Kurzarbeit geschickt werden, führt Demeester aus, mit 60 Prozent ihres regulären Lohnes. Logisch, dass die Arbeitnehmer das nicht gut fänden. Und auch die Bauunternehmer nicht, die ihre wartenden Kunden im Nacken hätten.
Deswegen will Embuild, dass die Regeln für Kurzarbeit im Bausektor so angepasst werden, dass künftig auch nur halbe Tage Kurzarbeit möglich werden: vier Stunden Kurzarbeit und vier Stunden Arbeiten auf der Baustelle. Frei nach dem Motto: Ein halber Tag gearbeitet ist immer noch besser als gar nicht gearbeitet. Dadurch würden die Bauarbeiten dann zumindest nicht immer komplett zum Erliegen kommen.
Konkret könnte das an eiskalten Wintertagen wie heute, an denen es spät hell und früh wieder dunkel wird, dann so aussehen: Anfangen zu arbeiten beispielsweise um zehn Uhr, wenn es schon hell sei und hoffentlich auch etwas wärmer. Und dann eben für vier Stunden, also bis 14 Uhr.
Solche Halbtagsregelungen für Kurzarbeit gebe es ja auch schon für andere Sektoren, betont Demeester. Etwa bei der Schülerbeförderung oder bei Putzhilfen, die über Dienstleistungsschecks beschäftigt würden, ein Präzedenzfall werde hier also nicht geschaffen.
Demeester räumt aber auch ein, dass längst nicht alle von dem Vorstoß überzeugt sind. Manche Arbeitnehmer blieben lieber zu Hause, wenn sie keinen ganzen Tag arbeiten könnten. Aber alles habe eben Vor- und Nachteile, deswegen spreche der Verband auch weiter mit den Gewerkschaften über die Idee.
Die wiederum haben unter anderem Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit. Da müssten die Arbeitnehmer ja quasi den ganzen Tag abrufbereit neben ihrem Telefon sitzen, so Patrick Vandenberghe von der christlichen Gewerkschaft. Außerdem müssten sie zu ihrem manchmal weit entfernten Arbeitsplatz gelangen, die Baustelle müsse vorbereitet werden und so weiter, all das brauche seine Zeit, gibt der Gewerkschafter zu bedenken.
Boris Schmidt