In manchen Ländern besteht die Pflicht, bei Stau eine Rettungsgasse zu bilden, schon lange. Belgien ist in dieser Hinsicht noch ein relativer Newcomer. Wobei es die Pflicht, Rettungsfahrzeugen Platz zum schnellen Durchfahren zu machen, mittlerweile auch hierzulande schon über drei Jahre gibt, wie An Berger erinnert, die Sprecherin der föderalen Polizei. Seit Oktober 2020 schon nämlich, so Berger im Interview mit Radio 2. Deswegen überrasche es sie auch ein wenig, dass es anscheinend noch immer Menschen gebe, die darüber nicht Bescheid wüssten.
Rettungsgassen seien super-wichtig, denn sie erlaubten Rettungsfahrzeugen, schneller zu Menschen in einer Notsituation durchzukommen. Deswegen könnten Rettungsgassen auch wirklich Leben retten.
Geschwindigkeit sei das A und O, betont auch Notärztin Griet Vermeulen. Denn je schneller bestimmte Patienten professionelle Hilfe bekommen, desto größer die Chance, bleibende Schäden zu vermeiden, beispielsweise bei Schlaganfällen. Ansonsten könne es etwa passieren, dass halbseitige Lähmungen für den Rest des Lebens blieben.
Aber bringen Rettungsgassen tatsächlich so einen Geschwindigkeitsvorteil, wie behauptet wird? Dieser Frage ist das VRT-"Factcheckers"-Team nachgegangen. Und zwar ganz praktisch, indem es einen Mini-Stau nachgebaut hat. Quasi im Maßstab eins zu eins, mit hundert Pkw, Lieferwagen und selbst Lkw. Und dann haben die Factchecker einen Krankenwagen zu einem simulierten Notfall anrücken lassen durch diesen nachgebauten Stau – einmal ohne Rettungsgasse und einmal mit. Das Ergebnis ist so deutlich wie schockierend: Ohne Rettungsgasse hat der Krankenwagen fast elf Minuten gebraucht, um sich durch eine nur 300 Meter lange Staustrecke zu kämpfen. Mit Rettungsgasse waren es gerade mal 30 Sekunden. Und auch wenn sich das sicher nicht ohne Weiteres auf reale Unfallsituationen übertragen lässt, so gibt es zumindest doch eine Idee von den Dimensionen, über die wir reden.
Für die meisten Menschen klinge eine Ersparnis von ein paar Sekunden nicht viel oder wichtig, so Vermeulen, aber wenn sich ein Stau über Kilometer hinziehe, dann kämen da viele Sekunden zusammen, die letztlich Minuten ausmachten bei einem Notarzteinsatz.
Erinnerung
Zur Auffrischung des Gedächtnisses die wichtigsten Punkte zusammengefasst. Zunächst die Frage, auf welchen Straßen überhaupt Rettungsgassen gebildet werden müssen: Die Regelung gilt nicht nur für Autobahnen, wie manche irrtümlich glauben, sondern für alle Straßen, auf denen mindestens zwei Fahrspuren pro Richtung zur Verfügung stehen.
Wann muss damit begonnen werden, eine Rettungsgasse zu bilden? Nicht erst, wenn schon alles steht und nichts mehr geht, sondern schon, wenn der Stau dabei ist sich zu bilden, sprich sobald der Verkehr anfängt zu stocken und die Autos beginnen, immer langsamer zu fahren.
Wie muss die Rettungsgasse gebildet werden? Im Prinzip ist es ganz einfach: Die Fahrzeuge, die am weitesten links unterwegs sind, fahren an den linken Rand ihrer Spur, die Fahrzeuge, die auf Spuren weiter rechts unterwegs sind, fahren an den rechten Rand ihrer Spur. Bei zwei Spuren bedeutet das also, dass die Rettungsgasse in der Mitte zwischen beiden gebildet wird. Bei drei Fahrspuren logischerweise zwischen der linken und der mittleren Spur.
Bis zu 174 Euro Bußgeld
Das sei wichtig und werde von der Polizei auch kontrolliert, warnt An Berger, beispielsweise von Brücken aus. Und wer sich nicht daran hält, der kann auch entsprechend empfindlich zur Kasse gebeten werden. Mit 174 Euro nämlich. Wobei sich die Polizei keine Illusionen darüber macht, immer und überall kontrollieren zu können. Deswegen müsse man auch auf die Vernunft und den guten Willen der Autofahrer zählen, das Richtige zu tun.
Boris Schmidt