Eine Mehrheit der Belgier, etwa drei Viertel um genau zu sein, befürwortet eigentlich die Einführung eines Pfands für Dosen und Flaschen. Trotzdem scheint sich der politische Enthusiasmus ziemlich in Grenzen zu halten, zumindest im südlichen Landesteil.
Im Norden sieht es da mittlerweile anders aus, die flämische Umweltministerin Zuhal Demir hat schon nach dem Sommer 2022 die schnellstmögliche Einführung eines Pfandsystems gefordert – allerdings ohne konkrete Modalitäten zu nennen. Unmittelbarer Auslöser für Demirs Vorstoß: die Müllberge vor allem im Sommer an der Küste. Denn an Stränden, in den Dünen und auf den Promenaden bleiben natürlich auch immer viele Büchsen und Flaschen zurück.
Unter anderem haben Küstenorte wie Bredene im Sommer 2022 schon mit einem Pfandsystem experimentiert, bei dem die leeren Verpackungen zum Kiosk oder Laden zurückgebracht werden mussten. 90 Prozent habe die Rückgabequote betragen, so die Organisatoren damals.
Pilotprojekte
Seit September dieses Jahres sind in Flandern jetzt zwei weitere Pilotprojekte durchgeführt worden, und zwar mit sogenanntem "digitalen Pfand".
Beim klassischen Pfandsystem müssten die vielleicht nicht immer ganz leeren Dosen und Flaschen zu Hause gesammelt und aufbewahrt werden, erklärt Liesbet Sommen gegenüber der VRT. Sie ist die Sprecherin der Plattform "Samen voor Slim Statiegeld", sinngemäß also "Zusammen für schlaues Pfand". Das nehme schon mal viel Platz weg, dann müsse man sie auch noch ins Auto packen und zum Laden bringen, wo man dann zu allem Überfluss vielleicht auch noch Schlange stehen müsse vor dem Pfandautomat. Das kenne man schon aus dem Ausland.
Wobei man dazu natürlich auch wissen sollte, dass die Plattform für digitales Pfand, für die Sommen spricht, vom Einzelhandelsverband Comeos, dem Verband der Lebensmittelindustrie Fevia und dem Recyclingbetrieb Fost Plus organisiert wird. Und dass gerade Händler kein gesteigertes Interesse an Mehraufwand von ihrer Seite haben dürften, das liegt auf der Hand.
Beim digitalen Pfand müsse man hingegen nur scannen vor dem Wegwerfen. Einmal den Code auf dem Mülleimer und einmal den individuellen Code auf Dose oder Flasche. Und schon bekomme man automatisch das Pfand auf sein Bankkonto überwiesen. In Zukunft soll das dann auch zu Hause möglich sein, mit den gewohnten Säcken für recycelbaren PMD-Abfall.
Getestet worden ist das Ganze seit September an zwei Orten: im Vergnügungspark "Bobbejaanland" und im Ferien- beziehungsweise Bungalowpark "Center Parcs" bei Wenduine an der Küste. Von 42.000 an diesen Orten verkauften Dosen und Flaschen sind 10.000 zurückgebracht worden, um das Pfand von je 20 Cent zurückzubekommen. Das ist weniger als ein Viertel. Anders gesagt: Die Kunden haben – aus welchen Gründen auch immer – auf 6.400 Euro verzichtet von insgesamt 8.400 Euro, die insgesamt an Pfand bezahlt worden sind.
Das sei ein gutes Ergebnis, betont Sprecherin Sommen. Bei der Einführung von Pfandsystemen in anderen Ländern seien die Ergebnisse auch nicht besser, im Gegenteil.
Um eine Verhaltensänderung zu bewirken, seien auch immer viel Kommunikation und Sensibilisierung notwendig. Bei Freizeit- und Ferienparks als Test-Orten sei das natürlich etwas schwierig, da sich die Menschen hier nur kurz aufhielten. Sprich sie hätten oft gar nicht die Zeit, sich mit dem System vertraut zu machen.
Betrugsversuche
Kritiker sehen die Sache etwas anders: Wie unter anderem die Zeitung Het Nieuwsblad am Mittwoch berichtet, war für satte 63 Prozent der Dosen und Flaschen, die im Müll von "Bobbejaanland" gelandet waren, kein Pfand reklamiert worden. Das könne eine Verlockung darstellen, Müllsäcke und Mülleimer nach nicht gescannten Pfandbehältern zu durchsuchen, so etwa die Vertreterin eines Recycling-Netzwerks.
Außerdem soll es bei den Pilotprojekten auch zu Betrugsversuchen gekommen sein, etwa durch mehrfaches Scannen der gleichen Verpackung oder Manipulation der Mülleimer. Ebenso fraglich ist demnach auch noch, ob das digitale Pfandsystem tatsächlich dabei hilft, das Problem wild herumliegenden Mülls zu reduzieren, wie es die Befürworter behaupten.
Boris Schmidt