Wir leben in einer globalisierten Welt. Das kann man unter anderem gut an den Trends verfolgen, die sich oft kaum noch unterscheiden zwischen Europa, Amerika, Asien oder sonst wo auf der Welt. Das bedeutet aber im Umkehrschluss auch, dass sich die Probleme weltweit immer stärker ähneln. Anders gesagt: Wenn die flämische "Agentur für Heranwachsen" (Opgroeien) Alarm schlägt angesichts bestimmter Entwicklungen bei Jugendlichen in Flandern, dann muss man davon ausgehen, dass auch die anderen Landesteile und Nachbarländer in sehr ähnlicher Form davon betroffen sind.
Laut den Zahlen der Agentur nehmen immer mehr Kinder und Jugendliche, ihre Angehörigen oder Ansprechpartner spezialisierte Hilfe in Anspruch, weil sie sich in einer schwierigen Lage befinden, mit der sie allein nicht mehr klarkommen. Im letzten Jahr reden wir hier über einen Zuwachs von sieben Prozent, im Vergleich zum Jahr davor sogar von satten 28 Prozent. Das sind binnen zwei Jahren fast ein Drittel mehr Fälle von Jugendlichen, die auf spezialisierte Hilfe von außen zählen, eine beunruhigende Steigerung.
Noch besorgniserregender wird das Bild, wenn man sich die Profile der betroffenen Jugendlichen anschaut: Bezogen auf die letzten fünf Jahre hat die Zahl junger Mädchen zwischen zwölf und 18 Jahren mit Problemen um schockierende 71 Prozent zugenommen.
Die Anlaufstellen der Agentur erhielten viele Anfragen, die Mädchen mit psychischen Problemen beträfen oder Mädchen, die mit dunklen Gedanken oder mit Essstörungen kämpften, berichtet Agentur-Sprecher Niels Heselmans in der VRT. Dabei bereite vor allem ein Aspekt Sorgen: Der Einfluss der Sozialen Medien sei enorm, gerade auf das Selbstbild der Teenager.
Das merke man vor allem auch in der schwierigen Phase der Identitätsfindung bei Jugendlichen, unterstreicht auch der Leiter der Agentur, Bruno Vanobbergen. In dem Alter stellten sich junge Menschen einfach Fragen wie: Bin ich schön genug? Bin ich gut genug? Wie sehen mich meine Freunde oder Freundinnen? Und so weiter.
Jungs lebten ihre diesbezüglichen Reaktionen auf Probleme meist körperlich aus, das äußere sich dann etwa in Gewalt. Mädchen hingegen versuchten viel mehr, die Probleme in ihrem Innern zu verbergen. Aber das sei auch nur bis zu einem gewissen Punkt möglich, und wenn der erreicht sei, dann schafften sie das nicht mehr.
Es gebe aber noch einen weiteren großen Stressfaktor, der oft eine Rolle spiele: Druck in der Schule, genauer gesagt Leistungsdruck. Dazu trage auch bei, dass die Institution Schule heute auch allgegenwärtiger sei im Leben der Schüler. Nicht mehr nur von acht Uhr bis vier Uhr wie früher, sondern durch diverse Aktivitäten durchaus auch länger, bis abends.
Diese Signale würden seiner Meinung nach schon seit Jahren nicht stark genug beachtet, meint Vanobbergen. Durch die starke Zunahme der Hilfsgesuche werde es auch immer schwieriger, die notwendige Hilfe bereitzustellen. Einfach nur auf einen weiteren Ausbau der Jugendhilfe zu setzen, sei da einfach nicht mehr ausreichend.
Stattdessen müsse auch mehr Gewicht auf Kooperation gelegt werden, etwa mit dem Unterrichts- und Gesundheitswesen. Und natürlich müssten die Bedürfnisse und Nöte der Kinder und Jugendlichen auch möglichst spezifisch erfasst werden, um möglichst passende Hilfsangebote machen zu können.
Boris Schmidt