"Bereit für den Tag X" wollen sie sein. "Allzeit bereit", wie der Pfadfinder sagen würde: "Be prepared", so lautet diese Scout-Losung auf Englisch. Und davon abgeleitet spricht man von "Preppern", und meint damit eben Leute, die sich eben auf diesen "Tag X" vorbereiten. An diesem Tag X tritt dann nämlich irgendeine große Katastrophe ein. Und die wird - im Kopf dieser Prepper - zwangsläufig dazu führen, dass die staatliche Ordnung zusammenbricht. Der "Weltuntergang" also, weswegen man auch von "Doomsday-Preppern" spricht.
Das Phänomen an sich ist längst nicht neu. Auch Menschen, die sich während des Kalten Krieges etwa einen Atombunker leisteten, und den bis oben hin vollstopften mit allem, was man so zum Leben braucht, auch die konnte man schon als Prepper bezeichnen. Der Grundgedanke war jedenfalls der gleiche. Nur haben sich Teile dieser Prepper-Szene in den letzten Jahren doch deutlich radikalisiert. Zum Teil entstanden da sogar paramilitärische Gruppen, die sich in allererster Linie darauf konzentrieren, Waffen und Munition zu organisieren und zu bunkern. Einige dieser "Organisationen" verstehen sich als Speerspitzen einer rechtsextremen Neuen Ordnung, die also an jenem "Tag X" dann auch gleich die Gelegenheit beim Schopf packen wollen, um das, was von dem von ihnen so gehassten "System" noch übrig ist, auch noch umzustürzen.
Und eben mutmaßlich solche Leute hatten die Ermittler vor etwas mehr als einem Jahr ins Visier genommen. 28. September 2022: Großrazzia in mehreren Städten und Ortschaften so ein bisschen überall in Flandern, darunter in Antwerpen, Deurne, Merksem, Gent und Peer. Durchsucht werden Wohnungen der Mitglieder einer Prepper-Gruppe. Der mutmaßliche Chef der Organisation, der 36-jährige Yannick V., kriegt natürlich als einer der ersten Besuch von den Polizei- und Justizbehörden. Als die Beamte seine Wohnung stürmen, fallen mehrere Schüsse. Anscheinend soll Yannick V. mit einer Kalaschnikow herumgefuchtelt haben. Jedenfalls wird er tödlich verletzt. Der Vorfall wurde untersucht, in Kürze soll ein Abschlussbericht vorliegen.
Die Ausbeute der Razzia ist jedenfalls beeindruckend: In der Wohnung von Yannick V. wird unter anderem ein schweres Maschinengewehr sichergestellt, das auf einem Stativ montiert ist, einem sogenannten "Dreibein". Bei einem anderen Mitglied werden große Mengen an Waffen und Munition entdeckt. Bei wieder einem anderen finden die Ermittler Munitionskisten mit knapp 9.000 Schuss für Kalaschnikow-Sturmgewehre. Die Gruppe verfügte offenbar über ein Chalet, das als Rückzugsort dienen sollte und das vollgepackt war mit Lebensmitteln, Treibstoff, Schutzkleidung, und was man sonst noch so braucht. Und bei alledem dann noch die ganze Bandbreite an Nazi-Devotionalien und rechtsradikalem Propaganda-Material.
Die Razzia fand nicht umsonst an jenem 28. September 2022 statt. Denn die Ermittler hatten die Gruppe längst im Visier. Vor allem die Aktivitäten von Yannick V., also dem Chef der Gruppe, wurden überwacht. Am Tag vor den Hausdurchsuchungen gab es auf seinen diversen Kanälen in sozialen Medien Nachrichten, aus denen man verstehen konnte, dass die Gruppe womöglich zur Tat schreiten wollte. "Ein guter Bulle ist ein toter Bulle", hieß es da etwa. Worauf ein anderer sinngemäß erwidert, dass er gerne losschlagen würde. Die Mitglieder dieser Internet-Foren waren genau die Leute, die am nächsten Morgen Besuch von der Polizei bekamen.
Die meisten von ihnen müssen sich jetzt also vor einem Antwerpener Gericht verantworten. Insgesamt geht es hier um fünf Männer. Die Liste der Anklagepunkte zeigt, woher der Wind für diese Prepper weht: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines Terroranschlags, Verstöße gegen die Waffengesetzgebung in einem terroristischen Kontext. Deren Verteidiger sehen hier vor allem eins: ein großes Mitverständnis. "Wir sprechen hier doch nur von gewöhnlichen Preppern", sagt Anwältin Stéphanie Verbiest. "Also von Leuten, die im Falle eines Falles dazu imstande sein wollen, sich zu verteidigen. Böse Absichten gibt es hier nicht." Sein Mandant sei doch das Gegenteil eines Terroristen, sagt auch Kollege Kris Luyckx. Der Angeklagte ging davon aus, dass die öffentliche Ordnung zusammenbrechen könnte und er sich verteidigen muss. Ein Terrorist hingegen wolle ja gerade das System zum Einsturz bringen.
Harmlose Prepper, die Angst vor dem "Tag X" haben? Oder gewaltbereite Rechtsextremisten, die einen Anschlag verüben wollten und eben diesen Tag X sogar herbeisehnen? Diese Frage wird das Antwerpener Strafgericht in den nächsten Wochen beantworten müssen.
Roger Pint