Grundsätzlich gilt: Die meisten Waffen, die bei Verbrechen in Belgien zum Einsatz kommen, sind nicht legal im Laden gekauft worden. Zumindest nicht von dem oder den Tätern. Denn dafür braucht man in Belgien einen Waffenschein. Und den zu bekommen ist aufwändig und die Antragsteller werden dabei gründlich durchleuchtet - also keine echte Option für den typischen Drogenkriminellen oder islamistischen Terroristen in spe.
Bleibt also nur der illegale Waffenmarkt - und "der floriert in Belgien", sagt Nils Duquet, Direktor des Flämischen Friedensinstituts und Experte für Waffenhandel in der VRT. Angesichts dessen, was man bisher über den mutmaßlichen Attentäter von Montag wisse, sei es nicht überraschend, dass der Zugang zu Waffen gehabt habe. Der Mann soll wegen Drogenhandel im Gefängnis gewesen sein.
Auch von anderen Fällen wisse man, dass Terroristen für die Beschaffung von Waffen oft kriminelle Kontakte nutzten, die sie schon vor ihrer Radikalisierung gehabt hätten, so Duquet. Im kriminellen Milieu finde man vor allem Handfeuerwaffen, also Pistolen, aber durchaus auch automatische Waffen wie Kalaschnikows.
In dem Sinne sei die Waffe, die beim Terroranschlag am Montag eingesetzt worden sei, auffällig und ungewöhnlich, betont der Experte. Denn es handelt sich dabei um eine Waffe amerikanischer Bauart, eine AR-15. AR-15 werden häufig bei Amokläufen in den USA benutzt, sind deswegen also auch für Terroristen durchaus interessant. Auf dem europäischen Markt und bei hiesigen Kriminellen sind sie aber recht selten. Deswegen müsse man auch die Ermittlungen abwarten über die Herkunft dieser spezifischen Waffe.
Selbstgebastelt und 3D-Drucker
Am wahrscheinlichsten ist für Duquet die Hypothese, dass sie entweder von einem legalen Besitzer gestohlen oder aus Einzelteilen zusammengebastelt worden ist. In letzter Zeit sehe man nämlich immer häufiger, dass Menschen sich Einzelteile für Waffen per Post nach Belgien liefern ließen, um sie dann hier selbst zusammenzubauen. Diese Bastler wüssten, wo sie welche Teile bekommen könnten, und schritten dann eben selbst zur Tat.
Und apropos Basteln: Waffen aus dem 3D-Drucker sehe man in Europa mittlerweile auch häufiger, auch das werde in den kommenden Jahren also den illegalen Waffenmarkt speisen.
Aber daneben gibt es natürlich auch die "traditionellen" Quellen für illegale Waffen in Belgien. Selbst über 20 Jahre nach dem Ende der Jugoslawienkriege ist die Region noch immer eine sehr wichtige Quelle für Waffenschmuggler, gerade für Waffen wie Kalaschnikow-Sturmgewehre. Diebstahl ist eine Beschaffungsmethode. Sogenannte Sammlerwaffen, die deaktiviert, also unbrauchbar gemacht worden sind, tauchen ebenfalls immer wieder in reparierter und damit einsetzbarer Form auf dem Schwarzmarkt auf. Und selbst Schreckschusswaffen lassen sich für die Nutzung mit echter Munition umbauen.
Niemand wisse, wie viele illegale Waffen es in Belgien gebe, erklärt Duquet. Noch nicht einmal die Polizei erfasse, wie viele Waffen und in welchem Kontext beschlagnahmt würden. Das mache selbst Schätzungen sehr schwierig.
Die Untersuchung von Waffenhandel habe in Belgien einfach keine hohe Priorität, beklagt der Experte - mangels Personal, Mitteln und Unterstützung. Bei Kokainfunden werde beispielsweise systematisch versucht, die Herkunft und den Weg zu rekonstruieren, um die Drogen-Netzwerke zu verstehen. Bei Waffen geschehe das nicht. Das sei ein sehr großes Problem, so Duquet, denn dadurch bleibe der Strom von Waffen nach Belgien ein blinder Fleck. Und das mache es auch sehr schwierig, dagegen vorzugehen.
Boris Schmidt