Im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist Belgien natürlich recht überschaubar, was Größe und Bevölkerung angeht. Aber trotzdem wird hierzulande massiv online eingekauft. Und alles, was gekauft wird, muss logischerweise auch irgendwie zu den Kunden kommen. Rund eine Million Päckchen und Pakete werden deshalb in Belgien pro Tag ausgeliefert.
Für die Kunden ist der Versand ihrer Ware sehr oft kostenlos oder doch zumindest ziemlich günstig, denn schließlich macht ja gerade das das Online-Shopping so interessant. Allerdings bezahlt letztlich die gesamte Gesellschaft für den Konsumwahn – und zwar auf eine Art und Weise, die vielen Menschen gar nicht bewusst ist. All die Lieferfahrzeuge sorgen nämlich für Lärm und Abgase, sie nutzen die Straßen ab und tragen nicht zuletzt auch ordentlich zur Bildung von Staus und anderen Verkehrsbehinderungen bei, um nur ein paar der negativen Folgen zu nennen. Und all das kostet Geld.
Wieviel Geld, das wollte unter anderem der Einzelhandelsverband Comeos wissen, der deswegen die Arbeitsgruppe "Mobilise" der Freien Universität Brüssel (VUB) beauftragt hat, mal alle Kosten rund um die Lieferung der Online-Waren zu ermitteln. Herausgekommen ist dabei die beeindruckende und erschreckende Zahl von etwa 188 Millionen Euro pro Jahr. Umgerechnet sind das etwas mehr als 50 Cent pro Päckchen, die die Gesellschaft also an Kosten berappen muss.
Neue Software
"Mobilise" sollte das Ganze aber nicht nur mit einem Preisschild versehen, sondern auch darüber nachdenken, was dagegen unternommen werden könnte. Herausgekommen ist dabei eine neue Software namens "Smartdrop", die am Dienstag offiziell vorgestellt worden ist. Die App soll Kunden künftig dabei helfen, sich für die nachhaltigste Lieferoption entscheiden zu können.
Insgesamt würden sieben Parameter berücksichtigt, erklärt Koen Mommens von "Mobilise" gegenüber der VRT. Darunter natürlich erstmal der wichtige CO2-Fußabdruck der Lieferung. Natürlich sei CO2 wichtig, so Mommens, aber man wisse eben auch, dass die Lieferwagen die Straßen verstopften, für Lärm und für Unfälle sorgten. Deswegen berücksichtige Smartdrop neben Staus auch die jeweilige Umwelt- und Lärmbelastung, den Ausstoß von Abgasen während des Betriebs, die Auswirkungen auf Klima und Infrastruktur sowie die Kosten für Unfälle.
Smartdrop soll den Kunden dann leicht verständlich zeigen, welchen Unterschied eine Lieferung nach Hause, an den Arbeitsplatz, in ein Geschäft oder an einen Abholpunkt beziehungsweise eine Paketstation macht. Denn das macht tatsächlich einen Unterschied unterstreicht Mommens: Um bis zu 21 Prozent sollen sich die Auswirkungen der Warenlieferungen auf die Gesellschaft auf diese Weise drücken lassen können.
Testphase
Bis es tatsächlich soweit ist, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen, zunächst werden fünf in Belgien aktive Unternehmen mit Smartdrop experimentieren, nämlich Ava, Decathlon, Dreamland, Fnac-Vandenborre und Ici Paris XL. Der Einzelhandelsverband Comeos rechnet aber damit, dass die Technologie möglicherweise schon Richtung Ende des Jahres in Webshops implementiert werden könnte.
Die Verbraucher würden sich in Zukunft mehr und mehr für Firmen und Geschäfte entscheiden, die nachhaltig arbeiteten, so Comeos-Geschäftsführer Dominique Michel. Und das sei auch die Botschaft, die man den Menschen mitgeben wolle.
Es gebe wirklich einen Bedarf nach solcher Technologie, ist auch Föderalministerin Petra De Sutter überzeugt, die unter anderem für die Post zuständig ist. 60 Prozent der Belgier wünschten sich, ihre Päckchen nachhaltig geliefert zu bekommen, diesen Kunden wolle man mit Smartdrop unter die Arme greifen, deswegen habe sie das Projekt auch finanziell unterstützt. Ziel sei auch, das System weiteren Betrieben zugänglich zu machen.
Ob viele Kunden allerdings wirklich bereit sein werden, zum Wohle von Natur, Klima und Gesellschaft womöglich länger auf ihre Waren warten zu müssen oder sogar bereit wären, dafür mehr zu zahlen, wird abgewartet werden müssen. Denn diese Entscheidung wird jeder Kunde für sich treffen müssen, Smartdrop berechnet nur und listet die verfügbaren Optionen unverbindlich auf.
Boris Schmidt