Vor allem in Flandern sorgt gerade die VRT-Reportagereihe "Godvergeten", übersetzt "gottvergessen" für Aufsehen. Die Reportage über sexuellen Missbrauch in der Kirche hat bei vielen Menschen Fassungslosigkeit und Wut ausgelöst – und die Entscheidung, der Institution Kirche den Rücken zu kehren.
Eine solche "Enttaufung" ist denkbar einfach: Ein Brief ans Bistum mit Angabe der Pfarrgemeinde und einer Begründung reicht und man ist "raus".
Bleibt allerdings die Frage, was mit den persönlichen Daten geschieht, denn Katholiken werden anlässlich ihrer Taufe ja im Taufregister ihrer Pfarrgemeinde eingetragen. Nach eigenen Angaben informiert das Bistum die betreffenden Pfarrgemeinden über die Enttaufung, im Taufregister wird daraufhin am Rand handschriftlich vermerkt, dass die Person die Kirche verlassen hat. Und das war's dann, zumindest aus Sicht der Katholischen Kirche.
Es könne nicht sein, dass die Kirche die personenbezogenen Daten nicht tatsächlich lösche, unterstreicht aber etwa Bart Van Buitenen, seines Zeichens Datenschutzexperte, gegenüber der VRT. Ein Taufregister sei ein schriftliches Dokument. Damit gelte für das Register die DSGVO, die Datenschutz-Grundverordnung.
Keine Sonderstellung für die Kirche
Die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union besage, dass personenbezogene Daten entfernt werden müssten, wenn die gesetzliche Grundlage zu ihrer Speicherung nicht mehr bestehe. Und mit dem Austritt aus der Kirche bestehe die gesetzliche Grundlage nicht mehr, die durch die Taufe zustande gekommen sei.
Das sieht auch die EU-Abgeordnete Kathleen Van Brempt so. Sie verlangt von der EU-Kommission mehr Klarheit in dieser Angelegenheit: Die Kirche habe hinsichtlich der DSGVO keine Sonderstellung, betont Van Brempt.
Man verlange also nichts Ungewöhnliches von der Kirche, lediglich, dass sie geltende Gesetze anwende. Und das Gesetz sei deutlich: Egal ob digital oder auf Papier: Die Daten müssten gelöscht werden.
Ganz so einfach beziehungsweise schwarz-und-weiß sehen das aber nicht alle: In diesem Fall beriefen sich sowohl die Kirche als auch die Enttauften auf ihre jeweiligen Rechte, so etwa Magali Feys, eine auf Datenschutz spezialisierte Anwältin. Es gebe zwar eine europäische Gesetzgebung, aber die könne von Land zu Land anders ausgelegt werden, je nachdem auch, wie stark die Kirche in dem jeweiligen Land sei.
Die Katholische Kirche betont derweil, dass rein aus Glaubenssicht so etwas wie eine Enttaufung ohnehin nicht existiere, die Taufe sei ein Sakrament, das nicht ungeschehen gemacht werden könne. Außerdem stelle das physische Ausmerzen von Namen aus handschriftlichen Registern nichts weniger dar als die Vernichtung historischer Dokumente.
Darüber hinaus verstoße die Katholische Kirche auch nicht gegen die Datenschutz-Grundverordnung, das habe man überprüfen lassen. Der Umgang mit sämtlichen Dokumenten entspreche der Gesetzgebung und die Kirche habe sogar einen eigenen DSGVO-Experten, um das sicherzustellen.
Die Daten in den Taufregistern lägen ausschließlich in handschriftlicher Form und vor Ort in den Pfarrgemeinden vor, betont die Kirche weiter. Es gebe weder eine Zentralisierung noch eine Digitalisierung der Daten. Die Taufregister seien außerdem nur auf Anfrage einsehbar und mit Zustimmung der Betroffenen, die personenbezogenen Daten seien also ausreichend geschützt.
Ob das tatsächlich der Fall ist oder nicht, darüber muss in den kommenden Wochen nun die sogenannte Streitsachenkammer der belgischen Datenschutzbehörde entscheiden, bei der bereits mehrere diesbezügliche Klagen eingegangen sind.
Sollte die Einrichtung zu dem Schluss kommen, dass die belgische Katholische Kirche gegen die DSGVO verstößt, könnte sie die Kirche dazu verpflichten, die personenbezogenen Daten der Enttauften zu löschen und versuchen, das durch administrative Geldstrafen zu erzwingen.
Boris Schmidt
Soweit bekannt, wird doch bei der Geburtsmeldung u/o Ummeldung auf der Gemeinde auch die Religion mit vermerkt. Ein Austritt verlangt daher auch eine Daten-Koordination mit der Gemeinde, ansonsten würden die Gemeinden (Standesämter), bei Austritt, Falschangaben zur Person machen !... Und wenn die Kirche, selbst verschuldet, ihrem ethischen und moralischen Sozialauftrag nicht mehr nachkommt, wäre es ja pervers vom Staate, sich nicht schützend für seine Bürger einzusetzen, in Sachen Finanzierung der Kirchen ! Der soziale Frieden ist uns alle Pflicht... Gesetzliche Klarheit, ohne faule Kompromisse, müssen in der Kausa gefordert sein !
Der Vermerk einer "Religion" oder sonstigen Aberglaubens ist optional bei der Geburtsmeldung/Ummeldung und für die öffentliche Verwaltung - da Privatsache - per se irrelevant, also kein Bedarf an irgendwelchen Kirchenzettelchen.
Bei der Finanzierung der "Kulte" besteht allerdings seit Jahrzehnten dringender Handlungsbedarf, denn der katholische Verein heimst schlappe 75% der öffentlichen Gelder (insgesamt ca. 280 Millionen Euro) ein, wobei nur knapp die Hälfte (!) der Belgier dem Verein angehören und nur lächerliche 5% überhaupt wöchentlich ins Vereinslokal gehen...!
(siehe Artikel RTBF von 2022 "Le Scan : financement des cultes, pourquoi l’Eglise catholique décroche-t-elle le pactole ?")
Außerdem wurde Belgien schon vom Europäischen Gerichtshof gerügt, da sein System der Anerkennung von "Kulten" (zu denen seltsamerweise auch die organisierte Laizität gehört) weder objektiv noch transparent und sogar diskriminierend ist.
In Belgien werden also 'in gottes Namen' Menschen mit Steuergeldern in Millionenhöhe diskriminiert. Und und in unseren schwierigen finanziellen Zeiten scheint das kaum einen Bürger zu jucken...