Wenn man im Zusammenhang mit der belgischen Staatskasse von Milliardensummen redet, dann geht es meist um eher unerfreuliche Themen wie Defizite und Haushaltslöcher. Aber die Zahlen, um die es seit letztem Donnerstag geht, sind ausnahmsweise nicht rot, sondern tatsächlich tiefschwarz. Mehr als 12,24 Milliarden Euro - Stand Dienstagmittag - die Summe, für die die Belgier die neue Staatsanleihe schon gezeichnet haben. Etwas mehr als die Hälfte davon haben die Bürger über die teilnehmenden Banken und Kreditinstitute erworben, der Rest ist direkt über die Internetseite der föderalen Schuldagentur gezeichnet worden.
Angesichts dieses Erfolgs ist sogar der Direktor der Schuldagentur ziemlich baff. Das sei in der Tat unerwartet, so Jean Deboutte in der RTBF. Auch die Föderalregierung reibt sich angesichts des Coups zweifelsohne die Hände. Der Finanzminister sowieso, denn seine "Van-Peteghem-Staatsbons" werden zweifelsohne in die Geschichtsbücher eingehen und haben die bisher erfolgreichsten "Leterme-Bons" schon längst vom Thron gestoßen. Vincent Van Peteghem kann die positive Publicity ganz sicher auch brauchen nach dem Fiasko um die Steuerreform.
Aber nicht nur er freut sich, auch der Premierminister ist sichtlich zufrieden: Das sei mehr als erhofft, so Alexander De Croo zum aktuellen Zwischenstand der föderalen Schuldagentur. Das werde auch dazu führen, dass die Banken wieder um das Spargeld ihrer Kunden kämpfen würden, ist sich De Croo sicher. Außerdem beweise das, dass die belgische Bevölkerung sehr wohl noch Vertrauen in Regierung und Staat habe.
Das Rekordergebnis, dass sich hier abzeichnet, sendet natürlich auch ein unmissverständliches Signal an die Finanzmärkte:Dass sich Belgien offensichtlich sehr leicht Geld bei den eigenen Bürgern pumpen kann. Entsprechend positiv dürfte sich das auf die Einschätzungen der Ratingagenturen auswirken.
Mehr Arbeit für Schuldagentur
Auf die Schuldagentur kommt deshalb aber neue Arbeit zu - über die sie sich allerdings kaum beschweren dürfte. Im aktuellen Finanzierungsplan seien so hohe Einnahmen durch den Staatsbon nicht vorgesehen gewesen, so Deboutte, diesen unerwarteten Erfolg werde man nun also berücksichtigen müssen - was aber kein Problem sei.
Bei all dem darf man eines aber nicht aus den Augen verlieren: Die Zeichnungsfrist läuft noch - über die Schuldagentur direkt bis inklusive 31. August, über die Banken bis inklusive 1. September. Bis allerspätestens dann muss das Geld der Investoren in spe auch bei der Schuldagentur eingegangen sein.
Ein bisschen Zeit bleibt also noch - und das ist wohl auch gut so für die Nerven diverser Möchtegernanleger. Denn nicht immer scheint alles so flott zu gehen, wie es sich manche offensichtlich wünschen würden. Die Schuldagentur habe bereits viele Klagen von Bankkunden erhalten, haben am Dienstagmorgen die Zeitungen L'Echo und De Tijd gemeldet. Deboutte bestätigt das auch in der VRT. Einige Kunden befürchteten, dass die Kooperation der Banken nicht immer ideal sei. Der Grund: Die betroffenen Kunden glaubten, dass die Banken den Staatsbon als unliebsame "Konkurrenz" betrachteten und ihn deshalb sabotieren wollten.
Banken erhöhen Kapazitäten
Die Kunden klagten, dass es schwierig sei, das Geld für die Staatsbons schnell genug überweisen zu lassen, führt Deboutte aus.Ein harter Vorwurf - und ein Vorwurf, den die Banken nicht auf sich sitzen lassen wollen. Die Banken hätten nicht das allergeringste Interesse an unzufriedenen Kunden, so Isabelle Marchand, die Sprecherin der Bankenvereinigung Febelfin. Das genaue Gegenteil sei der Fall.
Die Banken hätten ihre Kapazitäten sogar erhöht, damit das Zeichnen der Anleihen reibungsloser ablaufen könne, das zeige doch wohl, dass die Banken alles täten, um ihren Kunden bestmöglich zur Seite zu stehen. Dass es Probleme mit manchen Überweisungen gebe, liege in der Natur der Sache, so Marchand weiter. Im Schnitt zeichnet jeder Interessent nämlich Bons für 36.000 Euro. Es sei schließlich sehr außergewöhnlich, dass jemand so hohe Beträge überweise. Da sei es doch nur logisch, dass vorher festgelegte Überweisungslimits griffen beziehungsweise Warnmechanismen der Banken wegen möglichem Betrug aktiviert würden.
Diese Überweisungslimits seien auch nicht neu, sie dienten vor allem dem Schutz der Kunden und seien eingeführt worden, um Online-Betrug zu bekämpfen. Die Banken seien sich des Problems aber bewusst und versuchten, diese Probleme zu lösen. Sie würden alles tun, um ihren Kunden so gut wie möglich beizustehen, verspricht die Febelfin-Sprecherin.
Boris Schmidt