Die Siebener Formel war eine Totgeburt. Weshalb? Weil De Wever sie nicht wollte. In seinen Augen zu linkslastig. Er hat es übrigens gesagt, denn er sagt immer, was er denkt und was er will. Oder er sagt gar nichts, und schickt dann seine Leutnants vor.
Der eine, Jan Jambon, ist dann nicht immer sehr deutlich, der andere, Siegfried Bracke gilt als nicht verbindlich und der dritte, Eric Defoort, hat einen unbestreitbaren Unterhaltungswert. Das ist der Bärtige, der gerne bei RTBF und RTL mit tiefem Bass Französisch parliert, oder in Schottland auf dem Kongress der dortigen Nationalisten eine Grußrede aus Flandern hält.
Wie ein richtiger Prophet, macht De Wever sich rar. Zurzeit erscheint er gar nicht, oder kaum. Nicht mal beim "Slimste Mens". Sein untrüglicher Instinkt hatte ihn gewarnt: nicht übertreiben. Dass ausgerechnet Bert Kruismans das Finale gewonnen hat, so ungefähr der Gegenpol von De Wever, ist zwar ein Misston und dürfte ihn wurmen, aber was soll's, angesichts der letzten Meisterleistung der gelungenen Exit-Strategie: eine kurze Drohung "less is more", einmal kurz Siegfried Bracke im Fernsehstudio, und der Absprung war geglückt.
Nein, die Siebener Formel war nicht lebensfähig, weil die zentrale Figur sie nicht wollte und dies auch gesagt hat. Aber es stimmt nicht ganz, dass De Wever entweder klare Ankündigungen macht oder gar keine. Manchmal weckt er auch den Eindruck, er wisse nicht so recht, was er wolle. Oder aber er macht einen ausgewachsenen Vorschlag auf Papier, mit Zahlen und Berechnungen, aber dann ungefragt. Den die Gegenseite dann unklug und undiplomatisch vom Tisch fegte.
Fazit: De Wever meint es ernst, wenn er die Spielleitung hat, daraus folgt: er müsste jetzt ran. Nur so würde klar, ob er sich für seine Stammwähler oder seine Neuwähler entscheidet. Zurzeit scheint er zu den Stammwählern zu tendieren. Überhaupt sollte man ihn beim Wort nehmen, hat er doch gesagt, er setze sich für eine strikte Haushalts- und Einwanderungspolitik ein. Dann aber bitte zeitgleich: Yves Leterme müsste in der Kammer um das Vertrauen bitten und die Kammer würde es ihm geben. Es wäre den Versuch wert... und eine verfassungsrechtlich völlig wasserdichte Sache!
Ganz im Gegensatz zu einer nur geschäftsführenden Regierung mit erweiterten Befugnissen, was problematisch wäre und rechtlich anfechtbar - erhält Leterme dagegen das Vertrauen, wäre die Formel unanfechtbar. Für De Wever wäre es übrigens nicht das schlechteste: er könnte, wenn ihm danach ist, die Regierung aus dem Parlament heraus stützen und so Teile der Politik mitbestimmen, wofür seine Neuwähler ihn gewählt haben.
Und er könnte opponieren, wenn er seine Stammwähler pflegen will. Eine so komfortable Situation wäre ihm doch auf den Leib geschneidert. Klar, das würde nicht allen Beteiligten gefallen, aber haben sie bessere und vor allem schnellere Lösungen?
Bild: belga archiv
Eine Minderheitsregierung mit Duldung? So etwas hat es in einzelnen deutschen Bundesländern schon gegeben, aber in Belgien?
Vielen Dank für ihr Interesse, von dem die Frage zeugt, die Sie aufwerfen.
Y. Leterme verfügt auch jetzt noch über eine (einfache) Mehrheit in der föderalen Kammer. Allerdings nicht in der flämischen Sprachgruppe. Das war übrigens auch vor den letzten Wahlen so - was die flämische Opposition stets genüsslich kritisierte.
In der angedachten Hypothese könnte B. De Wever eine reaktivierte Leterme-Regierung tatsächlich punktuell stützen, weil er damit der Regierung eine Form von flämischer Legitimierung geben würde, in den Fällen, in denen die N-VA mit der Regierung stimmt. Die Signalwirkung wäre umso deutlicher, weil die Leterme-Koalition heute in der Gruppe der flämischen Abgeordneten noch weniger verteten ist als nach den Wahlen 2007.