"So etwas haben wir noch nie gesehen, und das alles übertrifft auch ganz klar unsere Erwartungen". Jean Deboutte, der Direktor der föderalen Schuldagentur, ist eigentlich vom Naturell her niemand, der zu großen Gefühlsausbrüchen neigt. Doch hat der neue Staatsbon am Donnerstag, also gleich zu Beginn der Zeichnungsperiode, tatsächlich alle Rahmen gesprengt.
Donnerstagabend habe der Zähler bei der föderalen Schuldagentur bei 1,15 Milliarden Euro gestanden, erklärt Deboutte. Die Schuldagentur geht davon aus, dass bei den Banken Staatsbons mit einem ähnlichen Volumen gezeichnet wurden. Wenn das stimmt, dann macht das einen Ertrag von rund zwei Milliarden Euro allein am ersten Tag.
Es gibt zwei Wege, um in einen Staatsbon zu investieren. Der erste ist der direkte über das Portal der föderalen Schuldagentur. Hier fallen auch im Gegensatz zu einigen Banken keinerlei Kosten an. Der Ansturm war so groß, dass die Seite zwischenzeitlich gecrasht war. Über dieses Portal sind besagte 1,15 Milliarden zusammengekommen. Investiert wurden die von 33.000 Sparern, wie Deboutte erklärte, was also bedeutet, dass jeder von ihnen im Durchschnitt rund 35.000 Euro angelegt hat.
Der zweite Weg, einen Staatsbon zu zeichnen, geht über eine Bank. Die allermeisten machen bei der Kampagne mit, wobei einige von ihnen gewisse Kosten anrechnen. Da ist es schwieriger, immer einen genauen Überblick über die investierten Summen zu haben - aber wenn man mal von den zwei Milliarden ausgeht, die der Direktor der Schuldagentur in den Raum stellt, ist das doch tatsächlich schon eine phänomenale Zahl.
Kein Vergleich jedenfalls mit den Staatsanleihen, die sonst so aufgelegt werden. In der Regel werden viermal pro Jahr Staatsbons ausgegeben. "Meist interessieren sich nur "Profis" für solche Anlageprodukte. Und da sprechen wir größtenteils von ganz anderen Dimensionen", sagt Jean Deboutte. Im Juni etwa belief sich der Ertrag auf knapp 130 Millionen Euro, im März waren es rund 260 Millionen. Das waren an sich auch schon gute Ergebnisse, die aber freilich nicht mit dem zu vergleichen sind, was am Donnerstag passiert ist.
Konkurrenz zum Sparbuch
Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Regierung diesen Staatsbon auch tatsächlich "unter die Leute bringen wollte". Finanzminister Vincent Van Peteghem wollte ganz klar ein Anlageprodukt auf den Markt bringen, das mit einem klassischen Sparbuch konkurrieren kann, deswegen auch die extrem kurze Laufzeit von nur einem Jahr. Und um das Ganze schmackhaft zu machen, winkt eine Netto-Rendite von 2,81 Prozent. Damit will der Finanzminister die großen Banken aus der Reserve locken, die im Durchschnitt nur rund 1,5 Prozent bieten, und sie dazu bringen, ihre Sparzinsen anzuheben.
Entsprechend dürfte Finanzminister Van Peteghem die aktuelle Entwicklung mit einer gewissen Genugtuung beobachten. Das letzte Mal, dass eine Staatsanleihe solche Erträge eingebracht hat, war vor zwölf Jahren mit den sogenannten "Leterme-Bons". Knapp sechs Milliarden kamen 2011 zusammen.
Damals habe man eine Art Schneeball-Effekt beobachten können, sagt Jean Deboutte: Nach einem eher zaghaften Start wurden die Tageserträge immer größer und größer. Allein am letzten Tag vor Ende der Zeichnungsfrist waren es 1,5 Milliarden Euro. Aber es sei natürlich auch denkbar, dass es diesmal genau umgekehrt sein könnte.
Wo die Reise letztlich hingehen wird ist derzeit also noch nicht absehbar. Doch scheint dieser Staatsbon zumindest nach anderthalb Tagen auf Rekordkurs zu sein. Es könnte die größte Finanzoperation in der Geschichte des Landes werden. Bislang war das die Ausgabe von Staatsobligationen während der Corona-Krise, die sich seinerzeit ausschließlich an institutionelle Anleger wandte. Der Ertrag belief sich auf acht Milliarden. Dieser Rekord könnte jetzt geknackt werden, sagt der Direktor der Schuldagentur.
Die Zeichnungsperiode werde in jedem Fall nicht vorzeitig beendet, verspricht Deboutte. Die Frist laufe am Donnerstag bzw. Freitag kommender Woche ab. Und das werde auch so bleiben.
Roger Pint