Der belgische Gesundheits- und Pflegesektor leidet - wie so viele andere Bereiche auch - unter einem akuten Fachkräftemangel. Gefüllt werden diese Lücken unter anderem von ausländischen Ärzten. Sie kommen nach Belgien, um hier Praxen zu eröffnen oder in Krankenhäusern zu arbeiten. Das gilt auch für Zahnärzte, wie Frank Herrebout vom flämischen Verband der Zahnärzte gegenüber der VRT bestätigt.
Die Tendenz ist eindeutig: Fast die Hälfte der Zahnärzte, die sich hier neu niederlassen und arbeiten, haben mittlerweile ihren Abschluss im Ausland gemacht. Wie die Zeitung De Standaard am Mittwoch berichtet, kommen die meisten von ihnen aus Rumänien beziehungsweise haben dort studiert. Denn es sind auch beispielsweise Menschen, die eigentlich aus Nordafrika stammen, aber eben mit rumänischen Abschlüssen in Belgien beruflich aktiv werden.
Unzureichende Kenntnisse
Sicher kann man nicht alle Zahnärzte, die im Ausland oder selbst in Rumänien studiert haben, über einen Kamm scheren, aber der flämische Zahnärzteverband sieht doch ein beunruhigendes Muster: Man rede hier in einigen Fällen nicht nur über sprachliche Defizite und Probleme, unterstreicht Herrebout. Gewisse Zahnärzte würden sich auch nicht ausreichend auskennen, was die geltenden Verordnungen und Vorschriften angehe.
Und damit nicht genug, der Verband meldet auch ernste Bedenken bezüglich der Fachkenntnisse gewisser Kandidaten an. Es zeichne sich ab, dass manche ausländische Ausbildungen nicht vergleichbar seien mit denen in Belgien beziehungsweise in Flandern.
Wenn diese angeblich voll ausgebildeten Zahnärzte vor der Kommission für die Zulassung von Fachärzten erschienen, dann zeigten sich schnell Lücken in ihren Kenntnissen. Oft könnten sie selbst einfachste Fragen nicht beantworten und sprächen noch nicht einmal etwas Englisch. Außerdem verfügten sie oft nicht über ausreichend Praxiserfahrung, um in Belgien als Zahnärzte zu arbeiten.
Gekaufte Abschlüsse
Herrebout geht sogar noch weiter mit seinen Vorwürfen. Man kenne Privatuniversitäten in Rumänien, die ihre Abschlüsse einfach an Interessenten verkauften. Das sei ein Hintertürchen, das beispielsweise Menschen aus Nordafrika nutzten, um sich einen europäischen Abschluss als Zahnarzt zu verschaffen. Denn damit könnten sie sich selbst als Nicht-Europäer in der Europäischen Union niederlassen und damit auch in Belgien.
Das Problem ist nämlich wie folgt: Jeder Zahnarzt, der in Belgien arbeiten will, muss zwar vor der Kommission für die Zulassung von Fachärzten erscheinen. Aber die Kommission kann ihnen die Zulassung nicht verweigern, weil Rumänien zur Europäischen Union gehört und die dortigen Abschlüsse also anerkannt werden müssen. Egal wie schlecht die Fach- und Sprachkenntnisse sind, die ausländischen Abschlüsse müssen akzeptiert werden.
Das einzige, was die Zulassungskommission machen könne, sei, den Kandidaten ein zusätzliches Praxispraktikum aufzuerlegen in einer belgischen Einrichtung, so Herrebout. Aber selbst das reiche natürlich nicht, um die vorhandenen Lücken zu schließen. Die Folge: Die Qualität der Behandlungen könne Patienten nicht garantiert werden.
Abrechnungsbetrug
Neben potenziellen Behandlungsfehlern stellen die ausländischen Abschlüsse aber auch noch ein anderes Problem dar: Sie werden offenbar auch gezielt in betrügerischer Absicht eingesetzt. Leistungen würden falsch beziehungsweise zu Unrecht bei den Krankenkassen abgerechnet. Der Verband schätzt den potenziellen Schaden durch diesen Abrechnungsbetrug auf Millionen Euro.
Das Landesamt für Kranken- und Invalidenversicherung (Likiv-Inami) hat in den letzten fünf Jahren mindestens 27 Fälle von vorsätzlichem Betrug erfasst. Das Landesamt gibt aber selbst zu, dass nicht allen Hinweisen auf Betrug nachgegangen worden sei, die Dunkelziffer könnte also noch deutlich höher liegen.
Boris Schmidt
Es ist enttäuschend, solch generalisierenden und populistischen Journalismus zu sehen.
Betrachten wir Professor Anton Sculean, gefeierter Parodontologe mit rumänischen Wurzeln. Dr. Galip Gürel aus der Türkei auch Prof. Dr. Fouad Khoury in der Implantologie sowie Prof. Politus von der Universität Leuven und Prof. Dr. N. Nadjmi aus Antwerpen.
Diese Liste ist lang und zeigt, ausländische Zahnärzte sind nicht das Problem, sondern eine Lösung für Belgiens Fachkräftemangel. Belgien profitiert von ihnen zu geringen Kosten. Im Gegensatz dazu kostet ein einheimischer Zahnarzt über 230.000 € an Ausbildung.
Ein Problem liegt bei Belgiens Anerkennungskommission.
Die Brüsseler Kommission hat Spielraum bei der Anerkennung ausländischer Fachkräfte. Sie muss qualifizierte Zahnärzte zulassen, um uns vor Absolventen zweifelhafter Institutionen zu schützen. Die EU-Kommission muss betrügerische Unis bekämpfen.
Dieser Artikel zeigt Schwächen unserer geschätzten Kollegen in der Brüsseler Kommission. Schuld liegt nicht bei ausländischen Zahnärzten.
Priorität: Fähigkeiten erweitern für bestmögliche Patientenversorgung. Patienten urteilen. Ohne Wettbewerb sinken Kompetenz und Dienstleistungsqualität.