Der Flughafen Charleroi ist eine Erfolgsgeschichte. Fragt sich nur für wen. Auf der einen Seite ist da die Wallonische Region. Die ist über die Gesellschaft BSCA zu etwas mehr als der Hälfte an dem Airport beteiligt. Darüber hinaus wird der Flughafen aber auch nach wie vor aus Namur bezuschusst. Mit jährlich rund 30 Millionen Euro, wie die Zeitung La Libre Belgique jetzt unter Berufung auf einen nicht genannten Luftfahrtexperten berichtet.
Das sei nach wie vor gut angelegtes Geld, ist der MR-Regionalminister Adrien Dolimont überzeugt, der neben den Finanzen auch für die Flughafenpolitik zuständig ist. "Wir sehen doch all die Betriebe, die sich inzwischen rund um den Airport angesiedelt haben", sagte Dolimont in der RTBF. Deswegen sei es denn auch wichtig, den Sektor weiter zu unterstützen. Und diese Entscheidung sei ja bereits vor Jahren getroffen worden
Die Wallonische Region betrachtet insbesondere den Flughafen von Charleroi also als eine Art Wachstumsmotor. Und die über 7,5 Millionen Fluggäste, die den Airport allein im vergangenen Jahr genutzt haben, sowie die rund 4.000 Arbeitsplätze, die anscheinend rund um den Flughafen entstanden sind, scheinen den Verantwortlichen in Namur Recht zu geben.
Auf der anderen Seite ist da aber auch die Gesellschaft, die fast schon zum Synonym des Erfolgs des Flughafens Charleroi geworden ist: Ryanair. Seit 2001 ist die irische Billigfluggesellschaft nun schon auf dem Flugfeld in Gosselies aktiv. Würde Ryanair seine Koffer packen, dann bliebe in Charleroi nicht mehr allzu viel übrig. Bei jeder Streikaktion der Gewerkschaften steht denn auch immer gleich diese bange Frage im Raum: Besteht nicht die Gefahr, dass Ryanair am Ende seine Zelte abbricht und Charleroi verlässt?
"Das wird unter Garantie nicht passieren", sagt aber besagter Luftfahrtexperte in La Libre Belgique. Demnach ist Charleroi unter den insgesamt 91 Ryanair-Standorten einer der rentabelsten. Pro Passagier macht die Gesellschaft in Charleroi einen Gewinn von 21 Euro. Nur zum Vergleich: In Dublin sind es 16 Euro, in Mailand knapp neun Euro und in London Stansted nur 1,30 Euro. Die Gewinnspanne ist denn auch in Charleroi mit Abstand am größten: Über 30 Prozent, während sich die Marge in Dublin auf rund 25 Prozent beläuft und in London sogar nur auf 2,3 Prozent.
Resultat jedenfalls: Allein in Charleroi hat Ryanair einen Gewinn von 160 Millionen Euro gemacht. Das ist mehr als ein Zehntel des Gesamtgewinns. Der Luftfahrtexperte nennt zwei wichtige Gründe dafür. Erstens kann Ryanair seine Tickets von und nach Charleroi teurer verkaufen als in anderen Regionen, weil das Einzugsgebiet groß und auch vergleichsweise wohlhabend ist.
Roter Teppich für Ryanair
Zweites, viel wichtigeres Argument: Der Flughafen Charleroi rollt den Iren immer noch den Roten Teppich aus. Ryanair zahlt dort eine Abgabe von 2,9 Euro pro Passagier, die aber schon um die Hälfte reduziert wird, wenn die Schwelle von 200.000 Fluggästen überschritten wurde. Nur zum Vergleich: In Zaventem belief sich die gleiche Abgabe auf 25 Euro pro Passagier, also rund das Zehnfache. Auch die "Parkgebühren" für Flugzeuge sind in Charleroi deutlich niedriger als anderswo.
Womit wir wieder bei den Zuschüssen der Wallonischen Region wären. Denn Kritiker sagen, dass der Flughafen Charleroi Ryanair solche Vorteilstarife nur deswegen bieten kann, weil er eben die 30 Millionen aus Namur bekommt. Ansonsten würde er Verlust machen. Und genau deswegen hat denn auch die Fluggesellschaft Brussels Airlines bei der EU-Kommission Klage eingereicht wegen unlauteren Wettbewerbs bzw. illegalen Staatsbeihilfen. Wie die Zeitung La Libre Belgique berichtet, stehen andere Gesellschaften bzw. Airports kurz davor, sich der Klage gegen den Flughafen Charleroi anzuschließen.
Regionalminister Adrien Dolimont steht aber zum derzeitigen Modell. "Natürlich ist ein Flughafen, der an einem ständigen Tropf hängt, nicht das oberste Ziel. Nur sind wir eben zuständig für die Infrastruktur und die Sicherheit. Und diese Rolle nehmen wir ernst."
"Muss das sein?", fragen sich Kritiker dennoch, allen voran die Gewerkschaften, die das Ryanair-Personal vertreten. 30 Millionen an Steuergeldern, die letztlich unterm Strich einer Gesellschaft zugutekommen, die die belgische Sozialgesetzgebung mit Füßen tritt? Und die ihren Gewinn gleich nach Dublin schleust, ohne dass die Wallonie was davon hätte? Die Streiks der Ryanair-Piloten haben jedenfalls auch nochmal den Finger in die Wunde gelegt.
Streik am Montag und Dienstag
Die belgischen Piloten der Billigfluggesellschaft Ryanair haben am Montag mit einem zweitägigen Streik begonnen. Es ist bereits die dritte Arbeitsniederlegung innerhalb eines Monats.
Insgesamt sind von dem zweitägigen Streik 15.000 Passagiere betroffen, 88 von 340 geplanten Flügen entfallen. Die Betroffenen seien von Ryanair rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden. Deshalb sei am Montagmorgen auch kein Chaos ausgebrochen, sagte Flughafenchef Philippe Verdonck.
Roger Pint