Die Stimmung war aufgeheizt am Vormittag vor der Zentrale von Delhaize in Zellik nordöstlich von Brüssel. Zahlreiche Mitarbeiter von Delhaize protestierten vor dem Gebäude. Im Inneren tagte die Unternehmensführung zusammen mit Gewerkschaftsvertretern. Plötzlich ertönte Feueralarm, die Verhandlungen mussten unterbrochen werden. Eine Rauchbombe hatte den Alarm ausgelöst. Das Gebäude musste kurzzeitig evakuiert werden.
Am Ergebnis der Gespräche ändert das nichts: Delhaize gab die Namen der ersten 15 Supermärkte bekannt, die aus dem Unternehmen ausscheiden. Sie sollen ab September oder Oktober als Franchisen weitergeführt werden. Betroffen davon sind drei Geschäfte in der Wallonie (in Recogne, Bouffioulx, Nivelles), vier in der Hauptstadtregion Brüssel (Flagey, Boondael, Hankar, Mutsaard) und acht in Flandern (in Wilrijk, Deurne, Ronse, Grimbergen, Denderleeuw, Knokke, Izegem, Ypres/Ypern).
Damit macht Delhaize den ersten Schritt, um die Ankündigung des Unternehmens von vor genau fünf Monaten wahr zu machen: Insgesamt 128 Geschäfte sollen aus der Delhaize-Gruppe ausgegliedert und als Franchisen von unabhängigen Unternehmern weitergeführt werden. Den Namen Delhaize sollen die Geschäfte weiter tragen.
Unter den Protestierenden ist der Zorn darüber heute groß. "Ich bin wütend", sagt Gewerkschafterin Rosetta Scibilia gegenüber der RTBF. "Wie alle Arbeitnehmer, die heute hier sind. Und auch wie die, die in den Geschäften geblieben sind. Betroffene und nicht Betroffene." Sabrina arbeitet in einem der Supermärkte, die jetzt auf der Liste stehen. "Das ist eine kalte Dusche", kommentiert sie. "Wir sind verärgert. Wir dachten, dass es vielleicht später kommen würde, und jetzt gehören wir zu den ersten Geschäften, die das betrifft. Wir sind wütend und traurig, alles zur gleichen Zeit."
Die Angestellten von Delhaize und ihre Vertreter bei den Gewerkschaften befürchten, dass die neuen Inhaber der Geschäfte die Angestellten zu schlechteren Konditionen übernehmen werden. Sprich: Dass weniger Lohn gezahlt wird und andere soziale Errungenschaften zurückgenommen werden. Die Unternehmensleitung von Delhaize versucht zu beruhigen. Sie teilt mit, dass sie den neuen Inhabern bestimmte Verpflichtungen auferlegt habe. "Die Geschäfte bleiben auf jeden Fall bis 2028 erhalten und geöffnet, das steht fest", sagt dazu Delhaize-Sprecher Roel Dekelver gegenüber der VRT. Und er beteuert auch: "Alle Lohnzusagen, die die Arbeitnehmer heute besitzen, werden von den neuen Inhabern übernommen werden." Eine Arbeitsplatzgarantie für die Angestellten kann Delhaize allerdings nicht versprechen. "Niemand hat heutzutage eine Arbeitsplatzgarantie", sagt Unternehmenssprecher Dekelver.
Um eine Arbeitsplatzgarantie müssen sich also jetzt die Gewerkschaften in Gesprächen mit den neuen Inhabern kümmern. Johan Van Loon von der christlichen Gewerkschaft ACV Plus ist darüber verärgert. Er sagt: "Für die Leitung von Delhaize wäre es perfekt möglich gewesen, die Verträge der Angestellten als soziale Klausel mit einzubinden in die Übernahmekonditionen. Dann wäre das Thema vom Tisch. Jetzt müssen wir in der Tat mit jedem einzelnen neuen Arbeitgeber Gespräche darüber führen."
Neue Streiks schließt Van Loon heute nicht aus. Aber bevor seine Gewerkschaft zu diesem Mittel greife, wolle man erst mit den neuen Arbeitgebern sprechen. "Wir wollen den neuen Inhabern durchaus eine Chance lassen", sagt Van Loon. "Sie müssen die Möglichkeit haben, auf unsere Fragen zu antworten. Wir werden diese Menschen nicht von vornherein abservieren. Aber wir fordern schon gute Antworten." Sollten die Antworten schlecht ausfallen, dann würde auch gestreikt, sagt der flämische Gewerkschafter. Die Delhaize-Mitarbeiter im wallonischen Nivelles, deren Supermarkt jetzt als einer der ersten einen neuen Besitzer bekommen soll, gehen einen anderen Weg. Auf Antworten wollen sie nicht mehr warten. Sie haben am Montag schon mit dem Streiken begonnen.
Kay Wagner