Rund 190.000 gefälschte Markenartikel allein im Jahr 2022 - und dabei geht es nur um Produkte, die bereits in Belgien im Umlauf waren, wie Lien Meurisse, Sprecherin des FÖD Wirtschaft, in der VRT betont. Produktfälschungen, die schon direkt beim Import aufgeflogen sind oder bei Einreisekontrollen von Urlaubern an zum Beispiel Flughäfen sind also nicht mitgezählt.
Die Wirtschaftsinspektion wird dabei an allen möglichen Orten fündig, wie Sprecher Etienne Mignolet in der RTBF aufzählt. Geheime Lager, in denen die Plagiate zusammengesetzt werden, Märkte, kleine Geschäfte, Online-Verkaufs- und Handels-Plattformen, Kleinanzeigen – sicher wähnen können sich die Produktfälscher nirgends.
Am beliebtesten bei den Produktpiraten sind dabei: Parfüm und Pflegeprodukte, gefolgt von Elektronikartikeln und Spielzeug. Alles ganz und gar nicht ungefährlich, so der Sprecher des Wirtschaftsministeriums.
Gefälschtes Spielzeug entspreche natürlich nicht den Sicherheitsvorschriften für Kinderprodukte. Bei nachgemachten Parfüms und Pflegeprodukten habe man auch keine Ahnung, welche möglicherweise giftigen Stoffe sie enthalten könnten. Und was gefälschte Elektronikartikel betrifft: Viel Spaß beim Diskutieren mit der Brandversicherung, falls mal etwas wirklich schiefgehen sollte.
Zerteilen und recyceln
Bis vor etwa einem halben Jahr wäre die Frage nach dem weiteren Schicksal der beschlagnahmten Waren dann auch schnell beantwortet gewesen: Vernichtung im Verbrennungsofen. Aber seit Beginn 2023 legen die belgischen Behörden auch in dieser Hinsicht mehr Wert auf Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit: Die gefälschten Produkte werden mittlerweile von spezialisierten Betrieben so gut es geht zerlegt und recycelt – unter strenger Aufsicht des FÖD selbstverständlich.
Rund acht Tonnen beschlagnahmte Plagiate habe man dieses Jahr schon unbrauchbar gemacht und etwa 60 Prozent davon der Wiederverwertung zugeführt, so Meurisse. Wie genau die Produkte unbrauchbar gemacht werden , hängt natürlich vom jeweiligen Produkt ab, genauso wie die Frage, welche Bestandteile wie recycelt werden. Im Fall von Parfüm zum Beispiel reden wir vor allem von einer Glasflasche, die in einer Verpackung aus Papier und Karton steckt, wie Verwertungsexpertin Judith de Koninck erklärt. Diese Bestandteile werden wie auch zu Hause getrennt und dann ihren separaten Wiederverwertungskreisläufen zugeführt.
Für Elektronikbestandteile gibt es ebenfalls etablierte Recyclingmethoden, schließlich wird Elektromüll nicht ohne Grund auch sonst separat gesammelt, Stichwort Rückgewinnung von Edelmetallen und Seltenen Erden. Bei anderen Produkten ist die Antwort nicht ganz so offensichtlich, beispielsweise bei gefälschter Markenkleidung. Nachdem die zerschnipselt worden ist, wird sie zu Pellets gepresst. Und dann werden zum Beispiel aus angeblichen Markenjeans im wahrsten Sinn des Wortes Hot Pants, diese Pellets werden nämlich als alternative Brennstoffe eingesetzt, so Verwertungsexpertin Marie Pareit.
Die Pellets kommen in bestimmten energiehungrigen Unternehmen zum Einsatz, die sie statt fossilem Brennstoff benutzen. Ein Beispiel dafür sind etwa Zementfabriken, aber auch Kalkfabriken, Hochöfen zur Stahlproduktion und Energiezentralen kommen als Nutzer infrage. Verbrannt werden bestimmte gefälschte Produkte also noch immer, aber zumindest erfüllen sie dabei – anders als früher – noch einen sinnvollen Zweck.
Boris Schmidt