Die Züge waren im vergangenen Jahr so unpünktlich wie schon lange nicht mehr. Nach Angaben von Infrabel haben 2010 85 % der Züge den Fahrplan eingehalten, also knapp 15 Prozent waren zu spät. Einen so schlechten Wert gab es zuletzt 1998.
Nun könnte man ja hingehen und sagen: "Das geht ja noch!". Wenn man aber mal genauer hinschaut und vor allem auf den Berufsverkehr guckt, dann sieht die Sache schon ganz anders aus: In den Stoßzeiten morgens und abends ist es mitunter so, dass einer von vier Zügen Verspätung hat. Das würde dann auch den allgemeinen Eindruck erklären. Nach dem Motto: Wenn's drauf ankommt, gibt es tatsächlich häufig Probleme. Gerettet werden die Statistiken eigentlich durch die Züge außerhalb der Stoßzeiten.
Tatsächlich ist es so: pünktlich heißt nicht wirklich pünktlich. Pünktlich sind die Züge nach SNCB-Lesart, wenn sie weniger als sechs Minuten Verspätung haben. Nun: sechs Minuten, das ist viel und nicht viel, mitunter reicht es aber, dass ein Fahrgast einen Anschluss verpasst. Hinzu kommt: Nicht mitgerechnet werden auch die Züge, die ganz gestrichen wurden. Und das ist im vergangenen Jahr auch über 25.000 Mal passiert. Im Vergleich zu 2009 ist das auch eine enorme Steigerung um knapp ein Fünftel. Also: 25.000 Mal ist ein angekündigter Zug ganz ausgefallen. Das ist, wie ich finde, auch schon eine beeindruckende Zahl.
Als Hauptursache werden technische Pannen angegeben: Immerhin in drei von zehn Fällen sei das die Erklärung für die Verspätung. Zweite große Fehlerquelle: Probleme auf Schienennetzen im Ausland, die sozusagen nach Belgien hineinspielen. Und drittens: Probleme mit den Signalen.
Die Bahn als solche gibt es ja nicht mehr. In der Praxis gibt es unter dem Dach der SNCB-Holding zwei große Gesellschaften: Infrabel kümmert sich um die Infrastruktur, die SNCB um den Transport der Fahrgäste. Das macht es dann auch nicht immer leichter, ein Problem anzugehen. Eins hat man jedenfalls schon mal festgestellt: Die Ursachen für die Verspätungen teilen sich beide Gesellschaften fifty-fifty.
Die SNCB stellt ihrerseits in Aussicht, dass bald endlich neue Züge eingesetzt werden können. Das Material ist tatsächlich oft veraltet, neue Maschinen sind längst überfällig und eigentlich auch längst angekündigt. Da hat es aber, wie man hört, offenbar Meinungsverschiedenheiten mit dem Hersteller gegeben, der sich nicht an das Lastenheft gehalten haben soll.
Fest steht, dass die Hauptverantwortlichen der drei SNCB-Gesellschaften jetzt wohl Druck machen dürften. Denn es ist so: Weil wir immer noch keine Regierung haben, konnten deren Verträge noch nicht verlängert werden. Die Verträge laufen Ende des Monats aus. Sie werden sich also jetzt noch schnell profilieren wollen. Daran sieht man auch: Die Tatsache, dass sich seit sieben Monaten innenpolitisch nichts bewegt, sorgt inzwischen auf den unterschiedlichsten Ebenen für, sagen wir mal, "organisatorische Probleme".
vrt / okr