Eine große, blutrote Wolke – so bedrohlich sieht die Situation auf Satellitenaufnahmen aus. Und die sie begleitenden Zahlen beruhigen auch nicht unbedingt: Die Aerosolwolke hat eine Ost-West-Ausdehnung von mehr als 3.000 Kilometern, von Nord nach Süd gemessen sind es ebenfalls etwa 2.000 Kilometer. Zum Vergleich: 3.000 Kilometer entspricht in etwa der Entfernung vom südlichen Ende des spanischen Festlands bis zum Nordzipfel Dänemarks.
Aktuell befindet sich die Hauptmasse der Wolke über der Normandie in der Gegend um Le Havre, so Frans Fierens von der interregionalen Umweltagentur Celine gegenüber der VRT. Aber sie bewegt sich aus Süden in Richtung Belgien, gegen Donnerstagmittag ist mit den höchsten Aerosolkonzentrationen hierzulande zu rechnen.
Kein Grund zur Sorge aktuell
Die Rauchwolke ist mittlerweile zwar in Europa angekommen, bestätigt auch Philippe Maetz von Celine gegenüber der RTBF. Allerdings befindet sie sich in einer Luftschicht in zwei bis vier Kilometern Höhe oder sogar noch höher. Nicht in einer Höhe also, die uns in unserem Alltagsleben betrifft oder die unsere Atemluft beeinträchtigen würde. Laut Frans Fierens wird sich das – ausgehend von den aktuellen Modellen – wahrscheinlich auch nicht ändern.
Positiv für uns ist aber nicht nur, dass sich die Feinstaubpartikel von den kanadischen Waldbränden in relativ ungefährlichen Höhen befinden, sondern auch noch ein anderer Faktor: Der Wind, der die Aerosolwolke über den Atlantik getrieben hat, hat auch zu einer Dispersion der Partikel geführt, also zu einer geringeren Konzentration in der Luft als in Kanada und in den Vereinigten Staaten.
Die Konzentration der Waldbrand-Feinstaubpartikel hier ist also selbst in der für uns unbedenklichen Höhe viel, viel geringer als zum Beispiel in Montreal. Die für uns relevante aktuelle Feinstaubkonzentration in Belgien bewegt sich in einem für diese Jahreszeit normalen Rahmen.
Entwarnung auch für Flugverkehr
Aber was ist mit dem Flugverkehr? Wir erinnern uns, beim berüchtigten Vulkanausbruch 2010 in Island hat die in die Atmosphäre geschleuderte Asche den Himmel ja quasi von Flugzeugen leergefegt.
Auch hier geben die Celine-Experten Entwarnung: Die Vulkanasche befand sich damals in einer noch höheren Luftschicht, bis zu zehn, elf Kilometer hoch – also in dem Bereich, in dem Passagiermaschinen unterwegs sind. Das ist bei der Waldbrandasche nicht der Fall, sie ist tiefer unterwegs. Außerdem war die Aschewolke vom Vulkanausbruch auch viel konzentrierter, sprich dichter als das, womit wir es jetzt zu tun haben.
Spektakulärere Sonnenaufgänge und -untergänge möglich
So ganz stimmt es aber nicht, dass wir überhaupt nichts von der neuen Aerosolwolke mitbekommen werden. Wir könnten durchaus spektakulärere Sonnenaufgänge und -untergänge bekommen. Und dafür gibt es eine einfache physikalische Erklärung, es ist nämlich vor allem der Blau-Anteil des Lichts, der durch die Partikelwolke gestreut wird.
Aber auch wenn wir uns vielleicht auf malerische Morgen- beziehungsweise Abendstunden freuen dürfen, eines sollte man trotzdem nicht ganz ausblenden: Selbst wenn wir nicht unmittelbar und direkt unter den Folgen der Waldbrände in Kanada leiden werden, wird das längerfristig anders aussehen.
Waldbrände erhöhen den CO2-Ausstoß und verschlimmern damit die Klimaerwärmung. Und die Rußpartikel können sich beispielsweise in der Arktis auf Eis und Schnee ablagern und dort zu einer schnelleren Erhitzung der Umwelt und damit zu einem schnelleren Abschmelzen der Polkappen führen. Harmlos sind die Waldbrände für uns also keinesfalls.
Boris Schmidt