Nach rund drei Stunden hatte die Geschworenen-Jury schon ihr Urteil gefällt: Schuldig, und zwar des vorsätzlichen Mordes. "Vorsätzlich", eigentlich ging es in dem Verfahren nur um dieses eine Wort. Denn dass Jurgen Demesmaeker seine damalige Partnerin Ilse Uyttersprot getötet hatte, das hatte er gleich nach der Tat schon gestanden.
Vielleicht doch mal ein Blick zurück. 4. August 2020: An jenem Morgen wird Jurgen Demesmaeker um 8:30 Uhr in einer Polizeiwache in Aalst vorstellig. Und er gibt eine doch drastische Aussage zu Protokoll: Demesmaeker erklärt, im Affekt seine Partnerin getötet zu haben. Die Rettungskräfte können tatsächlich nur noch den Tod von Ilse Uyttersprot feststellen. Sie wurde mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. Die Autopsie wird später ergeben, dass Demesmaeker sechs Mal mit einem Hammer auf seine Partnerin eingeschlagen hat. Und zwar während sie schlief. Sie hatte keine Chance. Sie starb an ihren schweren Kopfverletzungen.
Es ging bei dem Verfahren also nicht um die Frage: War er es, oder war er es nicht? Das Gericht musste vielmehr juristisch klären, ob Demesmaeker tatsächlich im Affekt oder doch mit Vorsatz gehandelt hat.
Dass der Prozess für ein solches Aufsehen gesorgt hat, hatte vor allem mit der Identität des Opfers zu tun. Ilse Uyttersprot war in Aalst und auch darüber hinaus keine Unbekannte. Die damals 53-Jährige war eine bekannte CD&V-Politikerin. Von 2007 bis 2012 war sie Bürgermeisterin von Aalst. In etwa zur gleichen Zeit saß sie auch im föderalen Parlament. Sie machte auch ein, zweimal Schlagzeilen in der nationalen Klatschpresse, unter anderem wegen eines Urlaubsvideos, das sie in einer - sagen wir mal - "pikanten" Situation zeigte.
Das alles nur, um zu sagen: Ilse Uyttersprot war keine Unbekannte. Und eben deswegen war der Prozess um ihren tragischen Tod denn auch vor allem in Flandern fast schon ein Medienereignis. Und selbst der frankophonen Presse war das Verfahren die eine oder andere Meldung wert.
Und weil es nicht um die eigentliche Schuldfrage ging, stand vor allem die Persönlichkeit des Täters im Vordergrund. Und da hat das Gericht dann doch in Abgründe schauen müssen. Denn dieser Jurgen Demesmaeker war offensichtlich alles andere als ein Unschuldsengel, dem da - vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben - die Sicherungen rausgeflogen wären. Die diversen Zeugen, die im Prozess aufgetreten sind, zeichneten vielmehr ein sehr düsteres Bild des Angeklagten.
Ex-Partnerinnen beschrieben Jurgen Demesmaeker als manipulativ, dominant und vor allem gewalttätig. Die eine oder andere hätte beinahe nicht ausgesagt, weil sie nach eigenen Worten immer noch Angst vor ihm habe. Wie die Frau, die am Ende sogar mit ihren Kindern aus ihrer eigenen Wohnung fliehen musste, weil sie sich von Demesmaeker bedroht fühlte. So schilderte es ihr Anwalt, Jeroen D'hondt, in der VRT.
Doch nicht nur die Ex-Partnerinnen ließen kaum ein gutes Haar an Jurgen Demesmaeker, das galt sogar für die eigene Verwandtschaft. Seine Schwester etwa hatte ebenfalls nur Verachtung für ihn übrig. Und dann trat die Mutter des Angeklagten in den Zeugenstand und schlug den Nagel schließlich bis zum bitteren Ende ein. Sie hatte den Kontakt zu ihrem Sohn nach eigenen Angaben vor 16 Jahren abgebrochen. Weil sie es aufgegeben hatte. Weil sie es leid war, sich immer wieder mit seinen Gewaltexzessen auseinandersetzen zu müssen. Und sie empfahl sogar, ihren Sohn nie mehr wieder auf freien Fuß zu setzen, weil er dann gleich wieder anfangen würde.
Das setzt die Kernfrage also dann doch nochmal in einen anderen Kontext, also die Frage, ob Demesmaeker vorsätzlich handelte oder nicht. Sein Verteidiger blieb dabei: Sein Mandant sei depressiv, labil und frustriert gewesen. Und seine Tat entsprechend irrational und emotional.
Jef Vermassen, der Anwalt der Familie von Ilse Uyttersprot, sah das naturgemäß anders: Ilse sei in der schicksalhaften Nacht wieder eingeschlafen. Jurgen habe zehn Minuten nachgedacht, sei dann aufgestanden und habe einen Hammer geholt. Und er habe zudem gewusst, was er mit dem Hammer tun wollte. Nun, juristisch betrachtet sprechen wir hier von Vorsatz.
Die Geschworenen sahen das genauso: Mord mit Vorsatz. Das ist mehr als nur ein Wort, sondern hat Einfluss auf das mögliche Strafmaß. Jurgen Demesmaeker droht nämlich jetzt eine lebenslange Haftstrafe.
Roger Pint