Das Problem der Ausbeutung ausländischer Arbeiter ist natürlich nicht neu. Denn sobald ein Land Mitglied der EU ist, ist es für Arbeitnehmer dank des sogenannten Freizügigkeitsrechts nicht nur viel einfacher, in ein anderes EU-Land zu reisen, sondern auch dort zu arbeiten. Und das macht sie für skrupellose Unternehmer natürlich höchst attraktiv.
Die Ausbeutung osteuropäischer Arbeitskräfte in Belgien wird immer dreister, schlägt nun auch das Arbeitsauditorat Gent Alarm. Besonders stark betroffen davon seien Bulgaren. Oft fange das Ganze sehr harmlos an, gibt Aneta Filipova die Aussage eines Opfers in der VRT wider. Sie ist seit Jahren in der bulgarischen Gemeinschaft von Gent aktiv und deshalb eine Ansprechpartnerin für viele Betroffene.
Wenn Menschen auf der Suche nach einem Job in einem bulgarischen Café herumfragten, würden sie von Landsleuten beiseitegenommen, die ihnen dann eine gute Arbeit versprächen. Denn es sind meist bulgarische und türkische Banden, die in diesem Bereich aktiv sind, und von Gent aus das ganze Land mit illegalen bulgarischen Arbeitskräften versorgen, wie Arbeitsauditor Filiep De Ketelaere erklärt.
Es sei eine regelrechte Mafia aus Subunternehmern, die im Endeffekt als illegale Zeitarbeitsfirmen fungierten. Die Menschen würden in Cafés oder an anderen Orten angeworben, in Kleinbusse gepackt und dann irgendwo in der belgischen Wirtschaft eingesetzt.
Die Ausbeutung der Arbeitnehmer geht dabei fast immer mit Sozialbetrug einher und kann verschiedene Formen annehmen: Manchmal würden Menschen beispielsweise als Teilzeitkräfte angemeldet, arbeiteten aber tatsächlich Vollzeit. Manchmal seien die Arbeitskräfte auch offiziell arbeitslos gemeldet oder krankgeschrieben. Ein weiteres sehr verbreitetes Phänomen seien Briefkastenfirmen im Ausland, die effektiv angestellte Arbeitnehmer als Selbstständige anmeldeten, also Scheinselbstständigkeit.
Diese illegale Praxis schadet aber nicht nur dem Staat und damit der Gesellschaft, sondern auch den illegalen Arbeitern selbst. Denn wieviel sie für ihre Arbeit bekommen oder ob sie überhaupt bezahlt werden, hängt vollkommen von ihren Chefs ab. Oft genug kann man die Bedingungen, unter denen sie arbeiten und leben, als kaum besser als moderne Sklaverei bezeichnen.
Hoffnungslosigkeit, Obdachlosigkeit, nicht vorhandene oder viel zu niedrige Entlohnung und selbst Menschen, die sich ihr Essen aus Mülleimern zusammensuchen müssten - das sei die Realität vieler dieser bulgarischen Arbeiter in Gent, so Aneta Filipova.
Die Chefs wissen aber natürlich, dass die Gefahr sehr gering ist, dass sich ihre illegalen Arbeiter bei der Polizei oder bei anderen offiziellen Stellen beschweren werden. Die Angst, eventuellen Lohn zu verlieren, sei einfach zu groß, so Auditor De Keteleare. Hinzu kämen auch handfestere Gefahren für Leib und Leben, Erpressung und körperliche Bedrohung seien keine Seltenheit.
Diese Angst und die Abhängigkeit von den Subunternehmern sei so groß, dass selbst etwa Arbeitsunfälle einfach unter den Teppich gekehrt würden.
Besonders anfällig für den Einsatz von ausgebeuteten Arbeitskräften sind dabei die Sektoren, in denen Einheimische kaum arbeiten wollen. Dazu zählen etwa der Bausektor, gerade, was Abbrucharbeiten angeht, aber auch zum Beispiel die fleischverarbeitende Industrie.
Während diese ausgebeuteten Arbeiter also dort schuften in der Hoffnung auf ein besseres Leben, oder um Familie in der Heimat zu unterstützen, machen ihre Chefs den großen Reibach. Denn einerseits enthalten sie dem Staat ja Sozialbeiträge ganz oder zum Teil vor, andererseits zahlen sie natürlich auch nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Löhne.
Dieses Geld muss dann natürlich gewaschen werden, aber das ist, wie auch bei anderen kriminellen Aktivitäten, offenbar kein großes Problem. Meist würden die kriminellen Erlöse entweder in Immobilien investiert oder schlicht ins Ausland transferiert, so De Ketelaere.
Boris Schmidt