Zuerst die gute Nachricht: Den belgischen Banken geht es vergleichsweise gut. Das zumindest ist die Quintessenz aus dem sogenannten Finanzstabilitätsbericht, den die Nationalbank am Mittwoch vorgelegt hat. Wörtlich heißt es da: "Die belgischen Banken haben die finanziellen Turbulenzen, die im Zuge der Pleite der schweizerischen Crédit Suisse und einiger amerikanischer Banken entstanden waren, gut überstanden." Die belgischen Finanzinstitute seien "robust und widerstandsfähig".
Das spiegelt sich auch in den Bilanzen wider: Im vergangenen Jahr haben die belgischen Banken insgesamt einen Gewinn von 7,6 Milliarden Euro verbuchen können. Das entspricht einer Eigenkapitalrendite von zehn Prozent. Das sei bedeutend mehr als im Durchschnitt in der Eurozone. Kurzum: Die Banken haben satte Gewinne gemacht, mehr als in anderen Ländern.
Und damit verbunden ist dann eben die schlechte Neuigkeit: All das kommt nicht beim Kunden an. "Rendite" ist insbesondere für Sparer fast schon ein Fremdwort geworden. Der gesetzlich festgelegte Mindestzinssatz beläuft sich nach wie vor auf 0,11 Prozent. Und sehr viel mehr bekommen die Kunden für ihre Sparbücher auch nicht, zumindest nicht bei den Platzhirschen.
Das sorgt mehr und mehr für Unmut. Der Ökonom Paul De Grauwe etwa lässt derzeit kein gutes Haar an den Banken. Und der steht eigentlich nicht im Verdacht, ein Marxist im Geiste oder so etwas zu sein, denn schließlich saß er doch mal für die flämischen Liberalen OpenVLD im Parlament. De Grauwe macht eine einfache Rechnung auf: Die Banken bekommen im Moment einen Zinssatz von 3,25 Prozent, wenn sie ihr Geld bei der Nationalbank oder der EZB parken. Wenn man bedenkt, dass es vor einem Jahr noch null Prozent waren, dann ist das eine enorme Steigerung. Der Ertrag geht aber offensichtlich nicht an die Sparer, sondern an die Anteilseigner. "Das ist doch nicht in Ordnung", beklagte Paul De Grauwe in der VRT.
Und warum tun die Banken das? Weil sie es können, ist De Grauwe überzeugt. Sie spielen ihre Marktmacht aus. Denn wirkliche Konkurrenz gebe es unter Großbanken nicht. Sie müssen gar nicht die Köpfe zusammenstecken, sondern sie sehen ganz einfach keinen Grund, die Sparzinsen anzuheben. Das sind quasi implizite Absprachen. Und die Banken wissen auch, dass die belgischen Sparer eher passiv sind und ihr Geld nicht holterdiepolter in andere Anlage-Produkte stecken.
"Nur sollten sie sich darauf mal nicht verlassen", mahnte am Mittwoch Steven Vanackere, Vizegouverneur der Nationalbank. Wenn die Bürger irgendwann das Gefühl haben, dass sie echt keine faire Rendite bekommen für ihr Spargeld, dann könnten sie sich am Ende doch von ihren Hausbanken abwenden und nach Alternativen Ausschau halten, guten und weniger guten. "Und die Banken wären gut beraten, ein solches Szenario zu verhindern", fügt Vanackere hinzu. "In einem solchen Fall droht der Finanzsektor nämlich einen seiner wichtigsten Trümpfe zu verlieren: Eine treue Kundschaft, die ihr Geld gerne den Banken anvertraut."
Vanackere meint damit die insgesamt rund 300 Milliarden Euro, die derzeit auf belgischen Konten schlummern und mit denen die Banken ja im wahrsten Sinne des Wortes "rechnen". Der Vizegouverneur plädiert also für "faire" Renditen, quasi im Eigeninteresse der Banken. Das gibt dann doch schon mal eine Windrichtung an. Denn die Regierung hat ja eben die Nationalbank um ein Gutachten gebeten, und zwar genau in diesem Zusammenhang.
Die Vivaldi-Koalition denkt nämlich über Zwangsmaßnahmen nach, um den Banken höhere Sparzinsen quasi aufs Auge zu drücken. Und über diese Möglichkeit beziehungsweise dann auch die praktische Umsetzung soll sich die Nationalbank aussprechen. Er wolle und könne da aber noch nichts vorwegnehmen, betonte Vanackere. Das Gutachten sei noch nicht fertig, werde wahrscheinlich erst am Freitag vorliegen. Fest stehe aber, dass es nicht eine Patentlösung geben könne, die auf alle Banken gleichermaßen anwendbar wäre. Ein differenzierter und nuancierter Standpunkt also, wobei das Wörtchen "fair" aber auch darin auftauchen dürfte.
Roger Pint