Die "frohe Botschaft" aus dem Mund von Premierminister Alexander De Croo höchstpersönlich: "In diesem Augenblick ist Olivier Vandecasteele auf dem Weg nach Belgien. Wenn alles gut geht, dann wird er heute Abend bei uns sein. Endlich frei!".
455 Tage hat Olivier Vandecasteele in iranischen Gefängnissen verbracht. Am 24. Februar vergangenen Jahres war der 42-Jährige wegen angeblicher Spionage festgenommen worden. Im Rahmen eines Scheinprozesses wurde er später zu 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt.
Von Anfang an war klar, dass Vandecasteele eigentlich nur aus einem Grund im Iran festgehalten wurde. Und dieser Grund hat einen Namen: Assadollah Assadi. Der iranische Ex-Diplomat war vor etwas mehr als zwei Jahren von einem Antwerpener Gericht zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Er wurde für schuldig befunden, an den Vorbereitungen eines Terroranschlags beteiligt gewesen zu sein. Ziel des letztlich vereitelten Attentats war eine Veranstaltung der iranischen Exilopposition in Frankreich.
Und diesen Assadollah Assadi wollte der Iran also freipressen - anders kann man das nicht nennen. Die Föderalregierung hatte sich dafür denn auch ein entsprechendes juristisches Instrument an die Hand gegeben: Mitte vergangenen Jahres verabschiedete die Kammer einen Vertrag, der einen Gefangenenaustausch mit dem Iran möglich machte. Gegen diese Regelung legte aber die iranische Exilopposition Verfassungsbeschwerde ein. Der Verfassungsgerichtshof gab Ende 2022 der Klage zunächst statt. Drei Monate später gab der Hof dann aber doch Grünes Licht. Allerdings unter einer Bedingung: Bevor der Vertrag quasi in die Tat umgesetzt wurde, sprich vor einem tatsächlichen Austausch, musste sich die iranische Exilopposition noch einmal über eine mögliche Überstellung von Assadi an den Iran aussprechen.
"Uns hat aber niemand konsultiert", konnte Rik Vanreusel, der Anwalt der iranischen Exilopposition nur konsterniert feststellen. Dabei hat der Verfassungsgerichtshof uns ausdrücklich ein Mitspracherecht eingeräumt.
Die Regierung hat am Freitagnachmittag Licht in dieses Dunkel gebracht: Besagter Vertrag, der also einen Gefangenenaustausch mit dem Iran möglich macht, sei hier gar nicht in Kraft gesetzt worden, hieß es. Demnach musste es anscheinend plötzlich sehr schnell gehen. Medienberichten zufolge gab es Meldungen, wonach Vandecasteele in Kürze exekutiert werden sollte. Andere Quellen berichten, dass eine Umsetzung des Vertrags eben wegen des Mitspracherechts für die iranische Exilopposition zu zeitaufwendig gewesen wäre und man es vermeiden wollte, dass Olivier Vandecasteele noch für weitere mindestens sechs bis acht Wochen hätte im Gefängnis bleiben müssen. Mindestens. Denn, einige Fachleute gingen davon aus, dass Vandecasteele erst gegen Ende des Jahres hätte ausgetauscht werden können.
Deswegen hat man sich eben für einen Kunstgriff entschieden: Die Regierung berief sich auf Artikel 167 der Verfassung. Darin heißt es, leicht eingekürzt: "Der König", also die Regierung, "leitet die internationalen Beziehungen [...], um die internationale Zusammenarbeit einschließlich des Abschlusses von Verträgen [...] zu regeln [...]. Und man macht ausdrücklich die Dringlichkeit geltend, eben die Tatsache, dass die Lebensgefahr für Vandecasteele aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen, unter denen er zu leiden hatte, zu einer "schwerwiegenden, unmittelbaren und fortwährenden Bedrohung" geworden sei.
Was aber letztlich zählt, und das gilt mit Sicherheit für Olivier Vandecasteele und seine Familie und Freunde, ist, dass er wohl noch an diesem Abend wieder belgischen Boden betreten wird. Eine Erleichterung sei das, sagte Premierminister De Croo in seiner Videobotschaft. Und er dankte denn auch allen, die dazu beigetragen haben, den belgischen Diplomaten und Sicherheitsdiensten, aber vor allem den Menschen, die sich für Olivier Vandecasteele eingesetzt haben, angefangen bei dessen Angehörigen: "Wenn wir uns nicht gegenseitig vertraut hätten, dann hätten wir es nicht geschafft, ihn dahin zurückzuholen, wo er hingehört: Hier hin, in seine Heimat".
Roger Pint
Es war wirklich ein erfolgreicher Deal für die belgische Regierung, ein Helfer gegen einen Terroristen, das ist absolut lächerlich.
Ich kann nichts verwerfliches an diesem Deal finden. Die belgische Regierung hat einem Belgier im Ausland geholfen. Das gehört zu deren Aufgaben.
Damit sowas nicht noch einmal passiert, sollte der belgischen Staat seinen Bürgern verbieten, in den Iran (und andere diktatorisch regierte Staaten) zu reisen. Es wäre eine Schutzmaßnahme.