Die positive Entwicklung der Wartelisten ist, zumindest laut Asylstaatssekretärin Nicole de Moor, vor allem auf zwei Maßnahmen zurückzuführen: zum einen auf die Schaffung neuer, also zusätzlicher Unterbringungsplätze. Und zum anderen auf die Verkürzung der Aufenthaltszeit in den Aufnahmezentren.
Dabei nennt de Moor im Interview mit der VRT vor allem zwei Gruppen von Personen, die die Aufnahmezentren von Fedasil nun schneller als bisher verlassen: zum einen Flüchtlinge, die durch Aufnahme einer Arbeit auf eigenen Beinen stehen können, und zum anderen abgelehnte Asylbewerber, die weitere Prozeduren angestrengt haben, um nicht des Landes verwiesen zu werden.
Diese Prozeduren seien deutlich beschleunigt worden, dadurch sei eine große Zahl von Unterbringungsplätzen freigemacht worden. Insgesamt hätten so etwa 1.200 Personen die Aufnahmezentren mittlerweile verlassen und Platz für Nachrückende von den Wartelisten gemacht.
3.000 Menschen weiterhin auf der Warteliste
Aber nur weil die Wartelisten kürzer geworden sind, bedeutet das nicht, dass die Unterbringungskrise gelöst ist. Fast 3.000 Menschen müssen aktuell nämlich weiterhin auf einen Platz in einem Fedasil-Zentrum warten. Das räumt die Asylstaatssekretärin auch ein. Von einem Überschuss an Plätzen könne absolut keine Rede sein. Deswegen arbeite Fedasil auch weiter an der Schaffung zusätzlicher Kapazitäten, für mehrere Gemeinden gebe es diesbezüglich aktuell auch schon entsprechende Pläne.
Eine entschiedene Absage erteilt de Moor damit logischerweise auch jeglichen Rufen nach einer Schließung vorhandener Aufnahmestrukturen. Die Gemeinde Molenbeek beispielsweise ist ja gerade dabei, ein Fedasil-Aufnahmezentrum auf ihrem Territorium räumen zu lassen, 400 Plätze drohen hier verloren zu gehen.
Niemand wolle, dass Menschen wieder auf der Straße schlafen müssten, so de Moor, sie habe also bei allem Verständnis im Augenblick absolut keinen Spielraum für den Abbau von Plätzen. Sie setze deswegen weiter auf Verhandlungen mit den lokalen Verantwortlichen.
Neben den Entwicklungen innerhalb Belgiens wirkt sich aber auch noch ein externer Faktor positiv aus auf die Aufnahmekrise: Aktuell klopfen weniger Menschen als früher in Belgien an, um um Schutz zu bitten. Waren es im letzten Jahr im Schnitt noch ungefähr 3.000 neu in Belgien ankommende Asylsuchende pro Monat, so ist diese Zahl im April um fast ein Drittel eingebrochen, auf jetzt etwas mehr als 2.000.
Darin sieht die Asylstaatssekretärin zumindest zum Teil einen Erfolg präventiver Informations- und Abschreckungskampagnen in bestimmten Herkunftsländern beziehungsweise bei Menschen, die eigentlich keinen Anspruch auf Asyl haben. Aber auch schnell auf neue Entwicklungen zu reagieren, habe sich ausgezahlt, um den Zustrom neuer Flüchtlinge zu bremsen.
Warnung vor übertriebenem Optimismus
Allerdings warnt die Asylstaatssekretärin auch ganz deutlich vor übertriebenem Optimismus: Es gebe kein Wundermittel, um das Problem zu lösen, Belgien werde weiter auf verschiedene Maßnahmen setzen. Man könne aktuell zwar von einigen Lichtblicken sprechen in der Entwicklung der Zahlen, aber was die Zukunft betreffe, müsse man vorsichtig bleiben.
Ein triftiger Grund dafür: In anderen europäischen Ländern stiegen die Zahlen der Neuankömmlinge, insbesondere bei denen an den Außengrenzen der Union sei das der Fall, wie etwa Italien. Man müsse also absolut auf der Hut bleiben, was diese Entwicklung angehe.
In diesem Zusammenhang verweist die Asylstaatssekretärin auch erneut auf das – aus ihrer Sicht – Versagen der europäischen Flüchtlingspolitik. Eine echte Reform sei notwendig, um Flüchtlinge schon an der EU-Außengrenze ihren Asylantrag stellen zu lassen und den Antrag auch dort zu bearbeiten. Nur so könne das Problem weiterreisender Asylsuchender gelöst werden, so de Moor.
Boris Schmidt