"Ja, auch ein verurteilter Terrorist hat Rechte!" Das ist, grob gerafft, die Botschaft der belgischen Anwälte von Nizar Trabelsi. Belgo-Tunesier war jahrelang der bekannteste und zugleich berüchtigtste Dschihadist des Landes. Lange vor den Abrinis und Abdeslams hatte er schon einen terroristischen Anschlag in Belgien geplant. Den Auftrag dazu soll ihm der damalige Terror-Pate höchstpersönlich gegeben haben: Al-Kaida-Führer Osama Bin Laden, den Trabelsi nach eigenen Worten in Afghanistan getroffen hatte. Doch offenbar war Trabelsi früh ins Fadenkreuz der belgischen Polizei geraten. Zwar hatten er und seine Komplizen schon Teile für eine Bombe beschafft, aber der Anschlag war offenbar noch in der Planungsphase. Trabelsi wurde am 13. September 2001 in Brüssel festgenommen. Wohl nicht zufällig war das nur zwei Tage nach den Anschlägen vom 11. September in New York und Washington.
Ursprünglich hieß es, Trabelsi und seine Mitstreiter hätten einen Anschlag auf die US-Botschaft in Paris geplant. Das dementierte Trabelsi aber höchstpersönlich in einem Radio-Interview, das die RTBF seinerzeit mit ihm führen konnte. Er habe doch gar nicht gewusst, wo sich die amerikanische Botschaft in Paris überhaupt befindet, sagte Trabelsi telefonisch aus dem Gefängnis. Vielmehr habe man in Belgien zuschlagen wollen. "In Kleine Brogel", fragt die Journalistin suggestiv. "Ja, ja, genau so", seufzt Trabelsi. Genau das hat er später auch vor Gericht ausgesagt: Er sollte einen Sprengstoffanschlag auf den Nato-Stützpunkt Kleine Brogel verüben, wo ja die USA ihre Atomwaffen lagern sollen. Dafür wurde Nizar Trabelsi im September 2003 von einem Brüsseler Gericht zu zehn Jahren Haft verurteilt, die er auch bis zum letzten Tag abgesessen hat.
Direkt im Anschluss, also im Jahr 2013, wurde er dann aber an die USA ausgeliefert. Eben wegen dieser Auslieferung wurde der belgische Staat auch diverse Male verurteilt, erst von belgischen Gerichten und dann sogar auch vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Denn das war offensichtlich ein Verstoß gegen einen zentralen und fundamentalen Rechtsgrundsatz: "Ne bis in idem", "Nicht zweimal in derselben Sache". Heißt also: Niemand darf wegen desselben Vergehens zweimal bestraft werden. Nun, rein technisch gesehen war das bislang noch nicht geschehen, zumindest noch nicht in letzter Konsequenz. Trabelsi hatte nämlich seit 2013 in den USA "nur" im Gefängnis gesessen. "Nur" in Anführungszeichen.
Seit Montag muss sich der Belgo-Tunesier aber tatsächlich wieder vor einem amerikanischen Gericht verantworten. Und damit sei es jetzt tatsächlich so, dass ihrem Mandanten zum zweiten Mal in derselben Sache der Prozess gemacht wird, sagte in der RTBF Dounia Alamat, eine belgische Anwältin von Trabelsi. Und das sei ein klarer Verstoß gegen die Auflagen, die seinerzeit bei der Auslieferung vereinbart worden waren. Und das sei mehr als nur eine bloße Unterstellung, sagt Alamat. Es sei offensichtlich, dass die USA dasselbe Verfahren einfach nochmal führen. Hier geht es um dieselben Vorwürfe, die durch dieselben Beweise untermauert werden. Sogar die Protagonisten sind dieselben, denn der Untersuchungsrichter und der Ermittlungsleiter, die damals in Belgien in dem Fall ermittelt haben, werden in dem Prozess eine zentrale Rolle spielen. Ganz zu schweigen davon, dass Trabelsi jetzt schon seit zehn Jahren in den USA einsitze. In Einzelhaft. Ohne Kontakt zur Außenwelt. Bei durchgehend eingeschaltetem Licht. Sein Mandant sei körperlich und mental schwer angeschlagen. Das sei schlimmer als Guantanamo, sagt Anwalt Christophe Marchand.
Das alles sei denn auch vollkommen inakzeptabel, sagt Marchand. Das sei schockierend, ein gigantischer Skandal. "Hier zeigt sich, dass die Amerikaner im Wesentlichen tun, was sie wollen. Und jetzt wird es Zeit, dass die belgische Regierung die Reißleine zieht." Justizminister Vincent Van Quickenborne lässt sich derweil mit den Worten zitieren, dass er den Amerikanern alle nötigen Dokumente habe zukommen lassen. Mehr wolle er dazu nicht sagen. Dem heute 52-jährigen Nizar Trabelsi droht in den USA eine lebenslange Haftstrafe.
Roger Pint