Bisher sind Elektroschockwaffen bei der belgischen Polizei als "besondere Bewaffnung" gezählt worden. Wie die Bezeichnung schon nahelegt, sind sie also nicht als Ausrüstung für den Alltagsdienst und "normale" Beamte gedacht, sondern zum Beispiel Sondereinsatzkommandos der lokalen Polizei vorbehalten für besondere Einsätze und Missionen.
Wenn Polizeibeamte etwa mit Messern oder anderen potenziell tödlichen Gegenständen wie Eisenstangen bedroht werden, dann haben sie im Prinzip das Recht, ihre Schusswaffen einzusetzen, erinnert Luc Breugelmans von der sozialistischen Beamtengewerkschaft im Interview mit der VRT. Wenn die Beamten aber nun auf so eine Elektroschockwaffe zurückgreifen könnten, dann hätten sie wirklich eine nicht-tödliche Alternative zu Dienstpistole und Co.
Das ist ja eines der Hauptargumente von Befürwortern von Elektroschockwaffen weltweit, dass sie eben nicht tödlich sein sollen wie Schusswaffen, aber trotzdem effektiver gegen körperliche Bedrohungen als zum Beispiel Schlagstock oder Pfefferspray. Außerdem müsste man mit letzteren ja auch viel näher heran, um etwas zu erreichen - einen Taser kann man aus relativ sicherer Entfernung einsetzen.
Kein Wunder also, dass Polizisten beziehungsweise ihre Gewerkschaften Verlindens Ankündigung begrüßen, damit geht schließlich auch eine lange Debatte um die Ergänzung des Arsenals der Beamten zu Ende.
Wenn man eine Elektroschockwaffe abfeuert, werden im Prinzip zwei Drähte in den Körper der Zielperson geschossen, die aber mit der Pistole verbunden bleiben. Über diese Drähte werden dann schmerzhafte, aber nicht-tödliche Stromstöße in den Körper des Opfers geschickt - was die getroffene Person mehr oder weniger immobilisiert, wodurch sie dann keine unmittelbare Gefahr mehr darstellt.
Liga für Menschenrechte besorgt
Soweit zumindest die Theorie. Nun braucht man aber weder große medizinische Vorkenntnisse noch viel Fantasie, um zu verstehen, dass es nicht ungefährlich ist, Stromstöße durch den Körper eines Menschen zu jagen. Der geplante flächendeckende oder doch zumindest viel breitere Einsatz von Tasern sei eine sehr ernste Angelegenheit, sagt Kati Verstrepen, die Vorsitzende der flämischen Liga für Menschenrechte.
Wenn Elektroschockwaffen nicht korrekt eingesetzt würden, könnten sie durchaus zum Tod des Opfers führen. Besonders gefährdet seien Menschen, die schon unter Herzproblemen litten. Aber auch bei Schwangeren, älteren Menschen oder Personen mit psychischen Leiden könnten die Stromstöße sehr schwerwiegende Folgen haben. Es sei ja auch nicht so, dass man einer bestimmten Person ansehe, worunter sie vielleicht leide, betont Verstrepen, und das wiederum bedeute, dass Polizeibeamte das Risiko und die Folgen eines Taser-Einsatzes oft gar nicht realistisch einschätzen könnten.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International habe auch erst vor Kurzem eine neue Studie veröffentlicht. Darin sei der Einsatz von Elektroschockwaffen in anderen Ländern untersucht worden. Laut Amnesty hat der Einsatz von Tasern durch Beamte schon Hunderte Menschenleben gekostet, wie Verstrepen erklärt. Das lege doch nahe, dass diese Art von Waffen nicht ungefährlich sei.
Die Polizei und auch die Gewerkschaften betonen in diesem Zusammenhang, dass Beamte erst nach ausführlicher Schulung mit Tasern auf die Straße sollen. So soll das Risiko von Fehleinschätzungen mit potenziell tödlichem Ausgang minimiert werden.
Das Argument überzeugt die Liga für Menschenrechte aber nicht. Wenn man sehe, wie stiefmütterlich die Ausbildung von Polizeibeamten schon jetzt oft behandelt werde, dann beruhige so ein Versprechen nicht wirklich, so Verstrepen.
Boris Schmidt