"Wir arbeiten Tag und Nacht an dieser Akte; in der Hoffnung, dass wir so schnell wie möglich die Freilassung von Olivier Vandecasteele erwirken können". Justizminister Vincent Van Quickenborne gab sich in der RTBF mehr denn je entschlossen. Und jetzt endlich kann man auch einen Gang höherschalten. Denn am Dienstag ist das Abkommen in Kraft getreten, das einen Häftlingsaustausch mit dem Iran möglich machen würde. Der entsprechende Antrag ist denn auch umgehend an die iranischen Behörden übermittelt worden, bestätigt der Justizminister: Jetzt müsse man die Reaktion aus Teheran abwarten.
In der Zwischenzeit habe Außenministerin Hadja Lahbib aber gegenüber ihrem iranischen Amtskollegen darauf gedrängt, dass die Haftbedingungen für Olivier Vandecasteele verbessert werden. Denn Olivier Vandecasteele sei in einem schlechten gesundheitlichen Zustand, berichten alarmiert seine Angehörigen. Seit inzwischen fünf Wochen werde er von schwerwiegenden Problemen an den Beinen geplagt, sagte Nathalie Vandecasteele, die Schwester des belgischen Entwicklungshelfers, in der RTBF. Er habe unerträgliche Schmerzen, was dazu führe, dass er nicht mehr schlafen könne. Und er verfüge auch nicht mehr über Beruhigungs- oder Schlafmittel.
Seit zehn Tagen befindet sich Olivier Vandecasteele offenbar wieder im berüchtigten Evin-Gefängnis, nordwestlich von Teheran. Die Haftanstalt gilt als die buchstäbliche "Hölle auf Erden". Seit 14 Monaten wird der 41-Jährige nun schon im Iran festgehalten. "Spionage" wird ihm zur Last gelegt; ein Standardvorwurf bei willkürlichen Verhaftungen im Reich der Mullahs. Später wurde ihm ein Schauprozess gemacht, bei dem er zu 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt wurde. Das kommt eigentlich einem Todesurteil gleich.
Beobachter sind sich einig, dass das Regime in Teheran hier von Anfang an nur ein Ziel verfolgt hat: Man wollte einen ehemaligen iranischen Diplomaten freipressen, der vor etwas mehr als zwei Jahren von einem Antwerpener Gericht zu 20 Jahren Haft verurteilt worden war. Dieser Assadollah Assadi wurde für schuldig befunden, an den Vorbereitungen eines Terroranschlags beteiligt gewesen zu sein. Ziel des letztlich vereitelten Attentats war eine Veranstaltung der iranischen Exilopposition in Frankreich. Olivier Vandecasteele wurde demnach also nur deshalb festgenommen, um ihn gegen diesen Assadi auszutauschen.
In Belgien musste dafür aber erst eine rechtliche Grundlage geschaffen werden. Schon im Sommer vergangenen Jahres verabschiedete die Kammer ein entsprechendes Abkommen, das also einen Gefangenenaustausch mit dem Iran ermöglichen sollte. Dagegen klagte allerdings eine iranische Oppositionsgruppe, was dazu führte, dass der Verfassungsgerichtshof das Abkommen zunächst aussetzte. Erst vor einigen Wochen gab der Hof dann doch Grünes Licht, und am Dienstag ist besagter Deal nun endlich in Kraft getreten. Deswegen konnte die belgische Regierung eben auch erst jetzt offiziell den Antrag auf einen Häftlingsaustausch stellen.
Doch auch dieser Schritt sei erst der Beginn einer neuen Prozedur, die sich ebenfalls als langwierig erweisen könnte, warnen Beobachter. Dies, zumal die iranische Opposition im Rahmen dieses Verfahrens de facto gewissermaßen ein Mitspracherecht hat. Das wurde ihr vom Verfassungsgerichtshof ausdrücklich eingeräumt. Demnach müssen diejenigen, gegen die sich die Anschlagspläne der Gruppe um Assadi seinerzeit gerichtet haben, offiziell über einen möglicherweise anstehenden Gefangenenaustausch informiert werden. Und gegen diese Entscheidung könne dann auch Berufung eingelegt werden. Nun, das Ziel des geplanten Anschlags war eben die Oppositionsgruppe, die schon das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof angestrengt hatte.
Allein dieser Aspekt zeigt, dass es wohl noch eine Zeit dauern könnte, ehe Olivier Vandecasteele endlich wieder belgischen Boden betreten kann. "Zeit, die Olivier nicht hat", mahnt seine Schwester Nathalie. Olivier sei "am Ende"; "er hält das alles nicht mehr aus", sagte sie in der VRT.
Roger Pint