Goldgräberstimmung auf der einen Seite, sehr viel Frust auf der anderen Seite. So könnte man den Immobilienmarkt während und auch noch nach der Pandemie kurz und knapp zusammenfassen. Während Besitzer Rekordpreise für selbst noch so heruntergekommene Behausungen verlangen konnten, mussten sich Kaufwillige oft innerhalb von Minuten entscheiden, ob sie zuschlagen wollten oder riskieren, dass ihnen jemand die Immobilie vor der Nase wegschnappte.
Manche sollen sogar Häuser und Wohnungen gekauft haben, ohne diese vorher überhaupt mal mit eigenen Augen gesehen zu haben. Die Konkurrenz war häufig so groß, dass die Verkäufer regelrechte wilde Versteigerungen durchführten, also nur diejenigen eine Chance hatte, die bereit waren, deutlich mehr als den ursprünglich verlangten Preis auf den Tisch zu legen.
Rückgang der Transaktionen
Diese Zeit sei aber nun größtenteils vorbei, so Bart van Opstal, Sprecher von Notaris.be, im Interview mit der VRT. Der enorme Peak, den der Immobiliensektor aufgrund von Corona erfahren habe, sei nun vollständig abgebaut worden. Das sehe man am Rückgang der Immobilientransaktionen in den ersten drei Monaten des Jahres. Im Vergleich zum Referenzzeitraum 2022 seien 7,1 Prozent weniger Transaktionen verzeichnet worden, so die Föderation der Notare.
Man könne wirklich von einer Abkühlung des Immobilienmarktes sprechen, so van Opstal. Wobei es regional aber deutliche Unterschiede gibt: In Flandern sind es über neun Prozent weniger, in Brüssel fünf Prozent und in der Wallonie nur 3,5 Prozent. In manchen Gegenden ist die Anzahl der Transaktionen entgegen dem Trend sogar noch gestiegen, beispielsweise in den Provinzen Namur und Hennegau. Und klammert man die Extremwerte infolge der Pandemie aus, vergleicht also die jetzigen Zahlen mit dem Vor-Corona-Jahr 2019, sprechen wir ohnehin noch von einer allgemeinen Zunahme.
Stabilisierung der Preise
Aber zurück zum nun eben nicht mehr vorhandenen Corona-Effekt: Es stimme zwar, dass die Transaktionen zum Teil sehr stark zurückgegangen seien, insbesondere im Januar und im Februar. Das schlage sich aber nicht in sinkenden Preisen nieder, unterstrich van Opstal. Zumindest bisher noch nicht. Die Preise stiegen sogar noch leicht weiter, im Durchschnitt um ein bis zwei Prozent.
Angesichts der aktuell hohen Inflation könne man also von einer Stabilisierung der Preise sprechen, aber noch nicht von einem Rückgang. Und das sei eine Eigenart des belgischen Immobilienmarktes. In den Nachbarländern wie etwa den Niederlanden und Deutschland seien durchaus Preisrutsche von bis zu zehn Prozent zu beobachten, aber der belgische Markt sei viel weniger volatil, reagiere also nicht oder nur sehr langsam auf die veränderte Situation, Immobilienbesitzer seien hierzulande eher bereit, länger zu warten, wenn sie dafür den Preis nicht senken müssten.
Gestiegene Hypothekenzinsen
Ein anderer Faktor, der Kaufen weniger attraktiv mache, seien die gestiegenen Hypothekenzinsen, also dass Kredite für den Hauskauf teurer geworden sind. Diese Entwicklung wirke sich aber auch nicht überall gleich stark aus. Regionen, in denen Wohnraum generell teuer sei, beziehungsweise hochpreisige Immobilien seien davon stärker betroffen, weil hier höhere Kredite aufgenommen werden müssten. Im Umkehrschluss bedeute das logischerweise, dass günstigere Regionen und Immobilien nicht so stark unter der Zinserhöhung litten.
Dass bestimmte Immobilien günstiger sind, hat natürlich immer einen Grund. Gerade die Energieeffizienz spiele eine sehr große Rolle, so van Opstal. Bei älteren und schlechter isolierten Gebäuden müssten die Käufer ja schließlich mit nicht unerheblichen Zusatzkosten für Renovierungen rechnen. Das sehe man auch an der Entwicklung der Preise: Je energieeffizienter eine Immobilie sei, desto stabiler beziehungsweise höher sei die Nachfrage, was zu weiter steigenden Preisen führe. Bei den energetisch weniger attraktiven Immobilien sehe man hingegen schon leicht sinkende Preise, potenzielle Käufer setzten das Argument Renovierungskosten bei den Verhandlungen ein. Und das sei eine Entwicklung, die sich vielleicht fortsetzen werde.
Boris Schmidt